Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsangleichung. Kontrollgerät im Straßenverkehr. Kontrollverfahren. Verwaltungsrechtliche Sanktion. Nichtvorlage der Schaublätter des Fahrtenschreibers für den laufenden Tag und die vorausgehenden 28 Tage. Einheitlicher oder mehrfacher Verstoß

 

Normenkette

EWGV 3821/85 Art. 15 Abs. 7; Verordnung (EG) Nr. 561/2006

 

Beteiligte

Prefettura Ufficio territoriale del governo di Firenze

Prefettura Ufficio territoriale del governo di Firenze

MI

TB

 

Tenor

Art. 15 Abs. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr in der durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 geänderten Fassung und Art. 19 der Verordnung Nr. 561/2006 sind dahin auszulegen, dass im Fall eines Kraftfahrers, der bei einer Kontrolle die Schaublätter des Kontrollgeräts für mehrere Arbeitstage in einem den Tag der Kontrolle und die vorausgehenden 28 Tage umfassenden Zeitraum nicht vorlegt, die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Kontrolle durchgeführt wurde, nur einen Verstoß dieses Kraftfahrers feststellen und wegen dieses Verstoßes nur eine einzige Sanktion verhängen dürfen.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidungen vom 19. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 26. November 2019, in den Verfahren

Prefettura Ufficio territoriale del governo di Firenze

gegen

MI (C-870/19),

TB (C-871/19)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und C. Lycourgos,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von MI und TB, vertreten durch G. Beghin, avvocato,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Greco, avvocato dello Stato,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch I. Kotsoni, S. Chala, E. Skandalou und K. Georgiadis als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Malferrari und C. Vrignon als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 15 Abs. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. 1985, L 370, S. 8) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (ABl. 2006, L 102, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3821/85).

Rz. 2

Sie ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Prefettura Ufficio territoriale del governo di Firenze (Präfektur, Regierungsaußenstelle Florenz, Italien) und MI (Rechtssache C-870/19) bzw. TB (Rechtssache C-871/19), zwei Kraftfahrern, wegen mehrfacher verwaltungsrechtlicher Sanktionen, die gegen MI und TB wegen Verstößen gegen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten verhängt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 3821/85

Rz. 3

Durch die Verordnung Nr. 3821/85 wurde die Verordnung (EWG) Nr. 1463/70 des Rates vom 20. Juli 1970 über die Einführung eines Kontrollgeräts im Straßenverkehr (ABl. 1970, L 164, S. 1) aufgehoben und ersetzt. Die Verordnung Nr. 3821/85 wurde ihrerseits durch die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung Nr. 3821/85 und zur Änderung der Verordnung Nr. 561/2006 (ABl. 2014, L 60, S. 1) aufgehoben und ersetzt. In Anbetracht des nach dem Sachverhalt der Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraums ist jedoch die Verordnung Nr. 3821/85 heranzuziehen.

Rz. 4

In den Erwägungsgründen 3, 7 und 11 der Verordnung Nr. 3821/85 hieß es:

„Bei Verwendung eines Kontrollgeräts, das die in der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr [(ABl. 1985, L 370, S. 1)] genannten Zeitgruppen anzeigt, kann die Einhaltung dieser Bestimmungen wirksam überwacht werden.

Eine vollautomatische Aufzeichnung weiterer Angaben über die Fahrt, z. B. die Geschwindigkeit und die zurückgelegte Wegstrecke, kann erheblich zur Verkehrssicherheit und zum rationellen Einsatz des Fahrzeugs beitragen, so dass es zweckmäßig erscheint, die Aufzeichnung dieser Angaben gleichfalls vorzusehen.

Um die Ziele der oben genannten Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeiten verwirklichen zu können, müssen die Arbeitgeber und die Fahrer angehalten werden, die einwandfreie Arbeitsweise des Geräts zu überwachen und die nach der Regelung erforderlichen Maßnahmen sorgfältig durchzuführen”.

Rz. 5

Art. 3 Abs. 1 der V...

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