Entscheidungsstichwort (Thema)
Obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Verkehrsunfall. Tod eines Fahrzeuginsassen. Schadensersatzanspruch des Ehegatten und des minderjährigen Kindes. Immaterieller Schaden. Schadensersatz. Deckung durch die Pflichtversicherung
Normenkette
Richtlinie 72/166/EWG Art. 3 Abs. 1; Richtlinie 90/232/EWG Art. 1
Beteiligte
Tenor
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, Art. 1 Abs. 1 und 2 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der durch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 geänderten Fassung und Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung sind dahin auszulegen, dass die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung immaterielle Schäden von Personen, die den Todesopfern eines Verkehrsunfalls nahestanden, decken muss, soweit dieser Schadensersatz aufgrund der zivilrechtlichen Haftung des Versicherten in dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht vorgesehen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Krajský súd v Prešove (Slowakei) mit Entscheidung vom 8. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Januar 2012, in dem Verfahren
Katarína Haasová
gegen
Rastislav Petrík,
Blanka Holingová
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. L 103, S. 1, im Folgenden: Erste Richtlinie) und von Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung (ABl. L 129, S. 33, im Folgenden: Dritte Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Haasová, die im eigenen Namen und im Namen ihrer am 22. April 1999 geborenen minderjährigen Tochter Kristína Haasová handelt, einerseits und Herrn Petrík und Frau Holingová andererseits wegen des Ersatzes des durch den Tod von Herrn Haas, dem Ehemann von Frau Haasová und dem Vater von Kristína Haasová, bei einem Verkehrsunfall im tschechischen Hoheitsgebiet entstandenen Schadens durch die beklagten Parteien im Rahmen der Kraftfahrzeug-Haftpflicht.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Privatrecht
Rz. 3
Art. 3 des am 4. Mai 1971 in Den Haag unterzeichneten Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (im Folgenden: Haager Übereinkommen von 1971), das von der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik und weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie von bestimmten Drittländern ratifiziert wurde, sieht vor:
„Das anzuwendende Recht ist das innerstaatliche Recht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat.”
Rz. 4
Art. 4 dieses Übereinkommens bestimmt:
„Vorbehaltlich des Artikels 5 wird in folgenden Fällen von Artikel 3 abgewichen:
Ist nur ein Fahrzeug an dem Unfall beteiligt und ist dieses Fahrzeug in einem anderen als dem Staat zugelassen, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat, so ist das innerstaatliche Recht des Zulassungsstaates anzuwenden auf die Haftung
- gegenüber dem Fahrzeugführer, dem Halter, dem Eigentümer oder jeder anderen Person, die hinsichtlich des Fahrzeuges ein Recht hat, ohne Rücksicht auf ihren gewöhnlichen Aufenthalt;
- gegenüber einem Geschädigten, der Fahrgast war, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen als dem Staat hatte, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat;
- gegenüber einem Geschädig...