Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten. Begriff Tatwerkzeug. Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um die Einziehung von Tatwerkzeugen aus Straftaten zu ermöglichen. Fahrzeug, das zur Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren verwendet wird, die widerrechtlich nicht mit Steuerzeichen versehen sind. Begriff „Tatwerkzeug“
Normenkette
Rahmenbeschluss 2005/212/JI; Rahmenbeschluss 2005/212/JI Art. 1, 2 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Art. 1 dritter Gedankenstrich und Art. 2 des Rahmenbeschlusses 2005/212/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten
sind dahin auszulegen, dass
ein Fahrzeug, das zur Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren verwendet wird, die widerrechtlich nicht mit Steuerzeichen versehen sind, ein „Tatwerkzeug“ einer Straftat darstellt.
Tatbestand
In der Rechtssache C-722/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia, Bulgarien) mit Entscheidung vom 22. November 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 24. November 2022, in dem Verfahren, eingeleitet vom
Sofiyski gradski sad,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra (Berichterstatter) sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der griechischen Regierung, vertreten durch L. Kotroni, A. Magrippi und E. Tsaousi als Bevollmächtigte,
- – der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Grünheid und I. Zaloguin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 dritter Gedankenstrich und Art. 2 des Rahmenbeschlusses 2005/212/JI vom 24. Februar 2005 über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten (ABl. 2005, L 68, S. 49).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens über die Einziehung der Fahrzeuge, die von bestimmten rechtskräftig verurteilten Mitgliedern einer organisierten kriminellen Vereinigung zur Beförderung von widerrechtlich nicht mit Steuerzeichen versehenen verbrauchsteuerpflichtigen Waren verwendet wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 1 und 10 des Rahmenbeschlusses 2005/212 heißt es:
„(1) Das Hauptmotiv für grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ist wirtschaftlicher Gewinn. Im Rahmen einer effizienten Verhütung und Bekämpfung der organisierten Kriminalität muss der Schwerpunkt daher auf die Ermittlung, das Einfrieren, die Beschlagnahme und die Einziehung von Erträgen aus Straftaten gelegt werden. Dies wird jedoch unter anderem durch Unterschiede zwischen den diesbezüglichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erschwert.
…
(10) Zweck dieses Rahmenbeschlusses ist es sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten über effiziente Vorschriften für die Einziehung von Erträgen aus Straftaten verfügen, auch in Bezug auf die Beweislast hinsichtlich der Herkunft von Vermögenswerten einer Person, die für eine Straftat im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität verurteilt wurde. …“
Rz. 4
Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) dritter Gedankenstrich des Rahmenbeschlusses 2005/212 sieht vor:
„Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck
…
- – ‚Tatwerkzeuge‘ alle Gegenstände, die in irgendeiner Weise ganz oder teilweise zur Begehung einer oder mehrerer Straftaten verwendet werden oder verwendet werden sollen“.
Rz. 5
Art. 2 („Einziehung“) Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2005/212 bestimmt:
„Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Tatwerkzeuge und Erträge aus Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht sind, oder Vermögensgegenstände, deren Wert diesen Erträgen entspricht, ganz oder teilweise eingezogen werden können.“
Rz. 6
Art. 4 („Rechtsmittel“) des Rahmenbeschlusses 2005/212 lautet:
„Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass alle von den Maßnahmen nach den Artikeln 2 und 3 betroffenen Parteien über wirksame Rechtsmittel zur Wahrung ihrer Rechte verfügen.“
Rz. 7
Art. 5 („Garantien“) des Rahmenbeschlusses 2005/212 bestimmt:
„Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, einschließlich insbesondere der Unschuldsvermutung, wie sie in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegt sind, zu achten.“
Bulgaris...