Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge. Öffentliche Bauaufträge. Begriff. Verkauf eines Grundstücks, auf dem der Erwerber später Bauleistungen durchzuführen beabsichtigt, durch eine öffentliche Einrichtung. Bauleistungen, die städtebaulichen Zielen einer Gebietskörperschaft entsprechen

 

Beteiligte

Helmut Müller

Helmut Müller GmbH

Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

 

Tenor

1. Der Begriff „öffentliche Bauaufträge” im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge setzt nicht voraus, dass die Bauleistung, die Gegenstand des Auftrags ist, in einem gegenständlichen oder körperlich zu verstehenden Sinn für den öffentlichen Auftraggeber beschafft wird, wenn sie diesem unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt. Die Ausübung von städtebaulichen Regelungszuständigkeiten durch den öffentlichen Auftraggeber genügt nicht, um diese letztgenannte Voraussetzung zu erfüllen.

2. Der Begriff „öffentliche Bauaufträge” im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 erfordert, dass der Auftragnehmer direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistungen, die Gegenstand des Auftrags sind, übernimmt und dass es sich um eine nach den im nationalen Recht geregelten Modalitäten einklagbare Verpflichtung handelt.

3. Die „vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernisse” im Sinne der dritten in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 genannten Fallgestaltung können nicht in dem bloßen Umstand bestehen, dass eine Behörde bestimmte, ihr vorgelegte Baupläne prüft oder in Ausübung ihrer städtebaulichen Regelungszuständigkeiten eine Entscheidung trifft.

4. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist eine öffentliche Baukonzession im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 abzulehnen.

5. Die Bestimmungen der Richtlinie 2004/18 finden unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens keine Anwendung auf eine Situation, in der eine öffentliche Stelle ein Grundstück an ein Unternehmen veräußert, während eine andere öffentliche Stelle beabsichtigt, einen öffentlichen Bauauftrag in Bezug auf dieses Grundstück zu vergeben, auch wenn sie noch nicht formell beschlossen hat, den entsprechenden Auftrag zu erteilen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. Oktober 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Oktober 2008, in dem Verfahren

Helmut Müller GmbH

gegen

Bundesanstalt für Immobilienaufgaben,

Beteiligte:

Gut Spascher Sand Immobilien GmbH,

Stadt Wildeshausen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Helmut Müller GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt O. Grübbel,
  • der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, vertreten durch Rechtsanwalt S. Hertwig,
  • der Stadt Wildeshausen, vertreten durch Rechtsanwalt J. Lauenroth,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J.-S. Pilczer als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Fiengo, avvocato dello Stato,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl und M. Fruhmann als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Wilms und C. Zadra als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. November 2009

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „öffentlicher Bauauftrag” im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Helmut Müller GmbH (im Folgenden: Helmut Müller) und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (im Folgenden: Bundesanstalt) über den Verkauf eines Grundstücks durch die Bundesanstalt, auf dem der Erwerber später Bauleistungen erbringen sollte, die städtebaulichen Zielen einer Gebietskörperschaft, im vorliegenden Fall der Stadt Wildeshausen, entsprechen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 lautet:

„Die Vergabe von Aufträ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge