Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verkehr. Führerschein. Erneuerung durch den Ausstellermitgliedstaat. Voraussetzung eines Wohnsitzes in diesem Mitgliedstaat. Erklärung des Wohnsitzes
Beteiligte
VAS „Ceļu satiksmes drošības direkcija” |
Latvijas Republikas Satiksmes ministrija |
Tenor
Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der eine Person, die die Ausstellung oder Erneuerung eines Führerscheins in diesem Mitgliedstaat beantragt, die Erfüllung der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzung eines „ordentlichen Wohnsitzes” im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats im Sinne von Art. 12 nur belegen kann, indem sie nachweist, dass sie im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats über einen erklärten Wohnsitz verfügt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Administratīvā apgabaltiesa (Lettland) mit Entscheidung vom 5. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Dezember 2013, in dem Verfahren
VAS „Ceļu satiksmes drošības direkcija”,
Latvijas Republikas Satiksmes ministrija
gegen
Kaspars Nīmanis
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász und D. Šváby,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und L. Skolmeistare als Bevollmächtigte,
- der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Yerrell und E. Kalniņš als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403, S. 18).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der VAS „Ceļu satiksmes drošības direkcija” (Direktion für Straßenverkehrssicherheit, im Folgenden: CSDD) und dem Latvijas Republikas Satiksmes ministrija (Verkehrsministerium der Republik Lettland) auf der einen und Herrn Nīmanis auf der anderen Seite wegen der Weigerung, den Führerschein von Herrn Nīmanis zu erneuern.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/126 heißt es:
„Die Regelungen zum Führerschein sind wesentliche Bestandteile der gemeinsamen Verkehrspolitik, tragen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei und erleichtern die Freizügigkeit der Personen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der den Führerschein ausgestellt hat, niederlassen. …”
Rz. 4
Nach dem achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie sollten aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit die Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgelegt werden.
Rz. 5
Der 15. Erwägungsgrund der Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten sollten aus Gründen der Verkehrssicherheit die Möglichkeit haben, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung, die Erneuerung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat.”
Rz. 6
Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 werden „[d]ie von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine … gegenseitig anerkannt”.
Rz. 7
Art. 7 der Richtlinie bestimmt:
„1. Ein Führerschein darf nur an Bewerber ausgestellt werden, die
a) eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie eine theoretische Prüfung bestanden haben und die gesundheitlichen Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III erfüllen;
…
e) im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaats ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert haben.
…
3. Die Erneuerung eines Führerscheins bei Ablauf der Gültigkeitsdauer ist von Folgendem abhängig zu machen:
…
b) vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats oder vom Nachweis, dass der Bewerber während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert hat.
…
5. … Unbeschadet des Artikels 2 achten die Mitgliedstaaten bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis sorgfältig darauf, dass eine Person die Anforderungen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels erfüllt; sie wenden ihre nationalen Vorschriften für die Aufhebung oder den Entzug der Fahrerlaubnis an, wenn feststeht, dass ein Führerschein ausgestellt worden ist, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorlagen.”
Rz. 8
Art. 12 der Richtlinie 2006/1...