Entscheidungsstichwort (Thema)

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL SUPERIOR DE JUSTICIA DE CATALUNA – SPANIEN. FREIER WARENVERKEHR – NATIONALE REGELUNG UEBER DIE WERBUNG FUER ALKOHOLISCHE GETRAENKE. 1. Freier Warenverkehr – Mengenmässige Beschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung – Rechtfertigung – Schutz der öffentlichen Gesundheit – Rechtlicher Rahmen der Prüfung – Artikel 36 EWG-Vertrag (EWG-Vertrag, Artikel 30 und 36). 2. Freier Warenverkehr – Ausnahmen – Verbot diskriminierender oder protektionistischer Maßnahmen – Geltungsbereich – Maßnahmen, die auf einen Teil des Staatsgebiets beschränkt sind – Einschluß (EWG-Vertrag, Artikel 36). 3. Freier Warenverkehr – Ausnahmen – Schutz der öffentlichen Gesundheit – Regelung der Comunidad autónoma eines Mitgliedstaats, die für ihr Gebiet bestimmte Formen der Werbung für hochprozentige alkoholische Getränke verbietet – Verhältnismässigkeit und nichtdiskriminierender Charakter – Zulässigkeit (EWG-Vertrag, Artikel 30 und 36)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn zu beurteilen ist, ob eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Einfuhrbeschränkung damit gerechtfertigt werden kann, daß sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt, ist nicht zu prüfen, ob ein solches Ziel einem zwingenden Erfordernis entspricht, das bei der Auslegung des Artikels 30 EWG-Vertrag zu berücksichtigen wäre, denn der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist ausdrücklich als einer der in Artikel 36 EWG-Vertrag genannten Gründe des Allgemeininteresses aufgeführt, aus denen eine Einfuhrbeschränkung vom Verbot des Artikels 30 ausgenommen werden kann. Eine solche Beurteilung ist lediglich anhand von Artikel 36 vorzunehmen, da diese Bestimmung auch dann eingreift, wenn eine Maßnahme vorliegt, die gerade die Einfuhren einschränkt, während die zwingenden Erfordernisse nur bei Maßnahmen in Betracht kommen, die unterschiedslos auf inländische und eingeführte Waren anwendbar sind.

2. Einer staatlichen Maßnahme, die einen begrenzten räumlichen Geltungsbereich hat, weil sie nur für einen Teil des Staatsgebiets gilt, kann der diskriminierende oder protektionistische Charakter im Sinne der Vorschriften über den freien Warenverkehr und insbesondere des Artikels 36 EWG-Vertrag nicht mit dem Argument abgesprochen werden, sie beeinträchtige den Absatz der aus anderen Landesteilen stammenden Waren ebenso wie den Absatz der aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Waren. Diese Maßnahme muß also nicht, um als diskriminierend oder protektionistisch qualifiziert werden zu können, sämtliche inländischen Erzeugnisse begünstigen oder nur eingeführte Erzeugnisse, nicht aber inländische Erzeugnisse benachteiligen.

3. Die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag stehen insgesamt gesehen einer gesetzlichen Regelung der Comunidad autónoma eines Mitgliedstaats nicht entgegen, die für das Gebiet, für das sie Geltung beansprucht, die Werbung für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 23 % in den Medien, auf Strassen und Landstrassen mit Ausnahme der Hinweise auf Produktions- und Verkaufsstätten, in Kinos und in öffentlichen Verkehrsmitteln verbietet.

Eine solche Regelung kann nämlich, auch wenn sie eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Artikels 30 EWG-Vertrag darstellt, nach Artikel 36 EWG-Vertrag gerechtfertigt sein. Zum einen steht sie nicht ausser Verhältnis zu dem von ihr im Rahmen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit verfolgten Ziel der Bekämpfung des Alkoholismus. Zum anderen stellt sie keine willkürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels dar, da sie nicht zwischen den Erzeugnissen nach Maßgabe ihres Ursprungs differenziert, da die mit ihr eingeführten Beschränkungen nicht für alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von weniger als 23 % gelten und somit nicht die Einfuhren dieser Getränke aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und da diese Beschränkungen bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 23 % sowohl die keineswegs in geringen Mengen hergestellten Waren aus dem Teil des Staatsgebiets, für das die Beschränkungen gelten, als auch die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Waren treffen. Der Umstand, daß dieser Landesteil mehr Getränke mit einem Alkoholgehalt von weniger als 23 % als höherprozentige Getränke herstellt, genügt für sich allein nicht für die Annahme, daß eine solche Regelung den Erfordernissen des Artikels 36 nicht genügt.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 30, 36

 

Beteiligte

Aragonesa de Publicidad Exterior SA

Publivía SAE

Departamento de Sanidad y Seguridad Social de la Generalitat de Cataluña

 

Tenor

Die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag stehen insgesamt gesehen einer gesetzlichen Regelung der im Ausgangsverfahren streitigen Art nicht entgegen, die für einen Teil des Gebiets eines Mitgliedstaats die Werbung für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 23 % in den Medien, auf Strassen und Landstrassen mit Ausnahme der Hinweise auf Produktions- und Verkaufsstätten, in Kinos und in öffentlichen Verkehrsmitteln verbietet, die, auch w...

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