Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Wettbewerb. Missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung. Begriff ‚unangemessene Preise’. Gesellschaft für die kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten. Faktische Monopolstellung. Beherrschende Stellung. Missbrauch. Aufführung von Musikwerken während Musikfestivals. Auf die Bruttoeinnahmen aus dem Verkauf der Eintrittskarten gestützte Tarifskala. Angemessenes Verhältnis zur von der Verwertungsgesellschaft erbrachten Leistung. Bestimmung des Anteils tatsächlich aufgeführter Musikwerke aus dem Repertoire der Gesellschaft für die kollektive Wahrnehmung
Normenkette
AEUV Art. 102
Beteiligte
Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers CVBA (SABAM) |
Tenor
Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne dieses Artikels vorliegt, wenn eine Verwertungsgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat ein faktisches Monopol innehat, gegenüber Organisatoren von Musikveranstaltungen eine Tarifskala für das Recht zur öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken zwingend festlegt, bei der
- die nach dem Urheberrecht geschuldeten Gebühren anhand eines Tarifs berechnet werden, der auf die mit dem Verkauf von Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen abstellt, ohne dass von diesen Einnahmen die gesamten mit der Veranstaltung des Festivals verbundenen Ausgaben, die keinen Zusammenhang zu den dort aufgeführten Musikwerken aufweisen, abgezogen werden können, sofern unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls die von der Verwertungsgesellschaft unter Anwendung dieser Tarifskala tatsächlich verlangten Gebühren insbesondere im Hinblick auf Art und Umfang der Nutzung der Werke, in Ansehung des durch diese Nutzung generierten wirtschaftlichen Wertes und in Anbetracht des wirtschaftlichen Wertes der von dieser Verwertungsgesellschaft erbrachten Leistungen nicht überhöht sind, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist, und
- ein abgestuftes Pauschalsystem zugrunde gelegt wird, um den zum Repertoire dieser Verwertungsgesellschaft gehörenden Anteil der aufgeführten Musikwerke zu bestimmen, sofern es keine andere Methode gibt, die es erlaubt, die Nutzung dieser Werke präziser zu bestimmen und quantitativ genauer zu erfassen, und mit der dasselbe legitime Ziel erreicht werden kann, nämlich der Schutz der Interessen von Urhebern, Komponisten und Musikverlegern, ohne dass dies zugleich zu einer unverhältnismäßigen Zunahme der Kosten für die Verwaltung der Vertragsbestände und die Überwachung der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musikwerke führt; dies ist vom nationalen Gericht vor dem Hintergrund des konkreten Falles, mit dem es befasst ist, und unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblichen Umstände zu prüfen, wozu auch die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit der vorgelegten Daten sowie vorhandene technische Mittel zählen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Ondernemingsrechtbank Antwerpen (Unternehmensgericht Antwerpen, Belgien) mit Entscheidung vom 28. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2019, in dem Verfahren
Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers CVBA (SABAM)
gegen
Weareone.World BVBA,
Wecandance NV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer, sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter), C. Lycourgos und I. Jarukaitis,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2020,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers CVBA (SABAM), vertreten durch B. Michaux, O. Sasserath, G. Ryelandt, E. Deturck und J. Vrebos, advocaten,
- der Weareone.World BVBA, vertreten durch C. Curtis, E. Monard und K. Geelen, advocaten,
- der Wecandance NV, vertreten durch P. Walravens, T. De Meese und C. Lebon, advocaten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux, S. Baeyens, L. Van den Broeck und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von P. Goffinet und S. Depreeuw, advocaten,
- der französischen Regierung, vertreten durch P. Dodeller, A.-L. Desjonquères und A. Daniel als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda, F. van Schaik und C. Zois als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juli 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte ...