Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Der Begriff ‚Diskriminierung’. Unmittelbare Diskriminierung. Mittelbare Diskriminierung. Diskriminierung wegen einer Behinderung. Ungleichbehandlung innerhalb einer Gruppe von behinderten Arbeitnehmern. Zuschlag zum Arbeitsentgelt für Arbeitnehmer, die nach einem vom Arbeitgeber ausgewählten Datum eine Bescheinigung über die Anerkennung einer Behinderung eingereicht haben. Ausschluss von behinderten Arbeitnehmern, die ihre Bescheinigung vor diesem Datum eingereicht haben
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a, Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b
Beteiligte
Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zakład Opieki Zdrowotnej w Krakowie |
Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zakład Opieki Zdrowotnej w Krakowie |
Tenor
Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass
- die Praxis eines Arbeitgebers, die darin besteht, einen Zuschlag zum Arbeitsentgelt an behinderte Arbeitnehmer zu zahlen, die ihre Bescheinigung über die Anerkennung einer Behinderung nach einem von diesem Arbeitgeber gewählten Datum eingereicht haben, nicht aber an behinderte Arbeitnehmer, die eine solche Bescheinigung vor diesem Datum eingereicht haben, eine unmittelbare Diskriminierung darstellen kann, wenn sich erweist, dass diese Praxis auf ein untrennbar mit einer Behinderung verbundenes Kriterium gestützt wird, da sie einer klar zu identifizierenden Gruppe von Arbeitnehmern, die sich aus allen behinderten Arbeitnehmern zusammensetzt, deren Zustand einer Behinderung dem Arbeitgeber bei der Einführung dieser Praxis notwendigerweise bekannt war, die Erfüllung dieser zeitlichen Bedingung endgültig unmöglich macht;
- diese Praxis, auch wenn sie dem Anschein nach neutral ist, eine mittelbare Diskriminierung wegen einer Behinderung darstellen kann, wenn sich erweist, dass sie behinderte Arbeitnehmer in Abhängigkeit von der Art von deren Behinderung, unter anderem der Auffälligkeit dieser Behinderung oder des Umstands, dass die Behinderung angemessene Vorkehrungen bei den Arbeitsbedingungen erfordert, besonders benachteiligt, und diese Praxis weder durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist, noch die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Okręgowy w Krakowie (Bezirksgericht Krakau, Polen) mit Entscheidung vom 27. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Januar 2019, in dem Verfahren
VL
gegen
Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zakład Opieki Zdrowotnej w Krakowie
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, E. Regan und M. Ilešič, der Richter E. Juhász, T. von Danwitz (Berichterstatter), S. Rodin, F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos und N. Jääskinen,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2020,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von VL, vertreten durch M. Podskalna und A. M. Niżankowska-Horodecka, adwokaci,
- des Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zakład Opieki Zdrowotnej w Krakowie, vertreten durch A. Salamon, radca prawny,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, A. Siwek-Řlusarek und D. Lutostańska als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch A. Pimenta, J. Marques und P. Barros da Costa als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Szmytkowska und C. Valero als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Juni 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen VL und dem Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zakład Opieki Zdrowotnej w Krakowie (Krankenhaus J. Babiński, selbständige öffentliche Einrichtung des Gesundheitswesens, Krakau, Polen, im Folgenden: das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Krankenhaus) wegen der Zahlung eines Zuschlags zum Arbeitsentgelt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 11 und 12 der Richtlinie 2000/78 heißt es:
„(11) Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrich...