Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die die Zinsen auf eine Forderung aus der Zeit vor diesen Richtlinien zu Ungunsten eines Gläubigers des Staates ändern können
Normenkette
AEUV Art. 288 Abs. 3; Richtlinie 2000/35/EG Art. 2-3, 6; Richtlinie 2011/7/EU Art. 2, 7, 12
Beteiligte
Federconsorzi und Liquidazione giudiziale dei beni ceduti ai creditori della Federconsorzi |
Ministero delle Politiche Agricole, Alimentari e Forestali |
Federazione Italiana Consorzi Agrari Soc. coop. arl – Federconsorzi |
Liquidazione giudiziale dei beni ceduti ai creditori della Federazione Italiana Consorzi Agrari Soc. coop. arl – Federconsorzi |
Tenor
Art. 288 Abs. 3 AEUV sowie Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und die Art. 7 und 12 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr sind dahin auszulegen, dass sie einen Mitgliedstaat, der von der Möglichkeit in Art. 6 Abs. 3 Buchst. b der erstgenannten dieser Richtlinien Gebrauch gemacht hat, nicht daran hindern, während der Umsetzungsfrist der zweiten dieser Richtlinien gesetzliche Bestimmungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu erlassen, die die Zinsen einer Forderung, die sich aus der Durchführung eines vor dem 8. August 2002 geschlossenen Vertrags ergibt, zu Ungunsten eines Gläubigers des Staates ändern können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Italien) mit Entscheidung vom 28. November 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 5. März 2014, in dem Verfahren
Ministero delle Politiche agricole, alimentari e forestali
gegen
Federazione Italiana Consorzi Agrari Soc. coop. arl – Federconsorzi, im Vergleichsverfahren,
Liquidazione giudiziale dei beni ceduti ai creditori della Federazione Italiana Consorzi Agrari Soc. coop. arl – Federconsorzi
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Ó Caoimh sowie der Richter E. Jarašiūnas (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Liquidazione giudiziale dei beni ceduti ai creditori della Federazione Italiana Consorzi Agrari Soc. coop. arl – Federconsorzi, vertreten durch D. Santosuosso und G. Niccolini, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Zavvos als Bevollmächtigten im Beistand von A. Franchi, avvocatessa,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 2, 3 und 6 der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. L 200, S. 35) sowie der Art. 2, 7 und 12 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. L 48, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ministero delle Politiche agricole, alimentari e forestali (Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, im Folgenden: Ministero) auf der einen und der Federazione Italiana Consorzi Agrari Soc. coop. arl (Italienischer Verband der Agrargenossenschaften), im Vergleichsverfahren (im Folgenden: Federconsorzi), und der Liquidazione giudiziale dei beni ceduti ai creditori della Federazione Italiana Consorzi Agrari Soc. coop. arl – Federconsorzi (Masse zur gerichtlichen Verwertung der an die Gläubiger von Federconsorzi abgetretenen Vermögenswerte) auf der anderen Seite über die Zinsen auf eine Forderung von Federconsorzi gegenüber dem Ministero.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie 2000/35, die durch die Richtlinie 2011/7 mit Wirkung vom 16. März 2013 aufgehoben wurde, sah in ihrem Art. 1 vor, dass sie auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden war. Gemäß ihrem Art. 2 bezeichnet „Geschäftsverkehr” „Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen”.
Rz. 4
Art. 3 der Richtlinie 2000/35 verpflichtete die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass der Gläubiger berechtigt ist, bei Zahlungsverzug Zinsen insoweit geltend zu machen, als er seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt hat und den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten hat, es sei denn, dass der Schuldner für die...