Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Regionale Abgabe für große Einzelhandelseinrichtungen. Niederlassungsfreiheit. Umweltschutz und Raumordnung. Staatliche Beihilfe. Selektive Maßnahme. Schreiben der Kommission, in dem sie über die Einstellung des Beschwerdeverfahrens informiert. Bestehende Beihilfe
Beteiligte
Asociación Nacional de Grandes Empresas de Distribución (ANGED) |
Tenor
1. Die Art. 49 und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Abgabe für große Einzelhandelseinrichtungen wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen.
2. Eine Abgabe wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die für große Einzelhandelseinrichtungen im Wesentlichen in Abhängigkeit von ihrer Verkaufsfläche erhoben wird, stellt keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, soweit von ihr Einrichtungen ausgenommen sind, deren Verkaufsfläche weniger als 2 500 m² beträgt. Eine solche Abgabe stellt auch insoweit keine staatliche Beihilfe im Sinne dieser Bestimmung dar, als von ihr Einrichtungen ausgenommen sind, die ihre Tätigkeit in den Bereichen Gartenpflege und Verkauf von Fahrzeugen, Baustoffen, Maschinen und Industriebedarf ausüben, und soweit Einrichtungen, die Möbel, Sanitärgegenstände, Türen und Fenster oder Artikel für den Heimwerkerbedarf verkaufen, einen Abschlag von 60 % auf die Bemessungsgrundlage erhalten, sofern diese Einrichtungen die Umwelt und die Raumordnung nicht so stark beeinträchtigen wie die anderen Einrichtungen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Eine solche Abgabe stellt hingegen eine staatliche Beihilfe im Sinne dieser Bestimmung dar, soweit von ihr große kollektive Einzelhandelseinrichtungen mit einer Verkaufsfläche von mindestens 2 500 m² ausgenommen sind.
3. Unter Umständen wie den vom vorlegenden Gericht geschilderten können die staatlichen Beihilfen, die sich aus einer Abgabenregelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen ergeben, keine bestehenden Beihilfen im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, dessen Wortlaut in Art. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union übernommen wurde, darstellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 10. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 25. April 2016, in dem Verfahren
Asociación Nacional de Grandes Empresas de Distribución (ANGED)
gegen
Generalitat de Catalunya
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter C. G. Fernlund, J.-C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev und E. Regan,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Asociación Nacional de Grandes Empresas de Distribución (ANGED), vertreten durch J. Pérez-Bustamante Köster und F. Löwhagen, abogados, sowie J. M. Villasante Garcóa, procurador,
- der Generalitat de Catalunya, vertreten durch R. Revilla Ariet und R. Riu Fortuny, letrados, sowie F. Velasco Muñoz Cuellar, procurador,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Gossement, P. Němečková und G. Luengo als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 9. November 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 54 AEUV sowie von Art. 107 Abs. 1 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Asociación Nacional de Grandes Empresas de Distribución (ANGED) und der Generalitat de Catalunya (Regionalregierung von Katalonien, Spanien) über die Rechtmäßigkeit einer Abgabe, die für große Einzelhandelseinrichtungen mit Sitz in der Autonomen Gemeinschaft Katalonien zu entrichten ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 Buchst. b und d der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. 1999, L 83, S. 1) bestimmt:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
b) ‚bestehende Beihilfen’
…
ii) genehmigte Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die von der Kommission oder vom Rat genehmigt wurden;
…
iv) Beihilfen, die gemäß Artikel 15 als bereits bestehende Beihilfen gelten;
v) Beihilfen, die als bestehende Beihilfen gelten, weil nachgewiesen werden kann, dass sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie eingeführt wurden, keine Beihilfe waren und später aufgrund der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu Beihilfen wurden, ohne dass sie eine Änderung durch den betreffenden Mitgliedstaat erfahren haben. Werden bestimmte ...