Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzversicherung. Richtlinie 87/344/EWG. Art. 4 Abs. 1. Freie Wahl des Rechtsanwalts durch den Versicherungsnehmer. Beschränkung der Erstattung der mit der Rechtsvertretung des Versicherungsnehmers verbundenen Kosten. Erstattung nur bis zur Höhe des Betrags, der von einem im Sprengel des in erster Instanz zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalt verlangt wird
Beteiligte
D.A.S. Österreichische Allgemeine Rechtsschutzversicherung AG |
Tenor
Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, wonach vereinbart werden kann, dass der Rechtsschutzversicherte zu seiner Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren nur solche zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen wählen darf, die ihren Kanzleisitz am Ort des Sitzes der in erster Instanz zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde haben, soweit – zur Vermeidung einer Aushöhlung des Rechts des Versicherungsnehmers, die mit seiner Vertretung beauftragte Person frei zu wählen – diese Beschränkung nur den Umfang betrifft, in dem der Rechtsschutzversicherer die mit dem Tätigwerden eines Vertreters verbundenen Kosten deckt, und die von diesem Versicherer tatsächlich gezahlte Entschädigung ausreicht, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Innsbruck (Österreich) mit Entscheidung vom 22. April 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juni 2010, in dem Verfahren
Gebhard Stark
gegen
D.A.S. Österreichische Allgemeine Rechtsschutzversicherung AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen sowie der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Stark, vertreten durch Rechtsanwalt H. Kofler,
- der D.A.S. Österreichische Allgemeine Rechtsschutzversicherung AG, vertreten durch Rechtsanwalt E. R. Karauscheck,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch K.-P. Wojcik und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung (ABl. L 185, S. 77).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der D.A.S. Österreichische Allgemeine Rechtsschutzversicherung AG (im Folgenden: D.A.S.) und Herrn Stark, der insbesondere die Frage der Gültigkeit einer in allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung enthaltenen Klausel betrifft, wonach der Versicherer die Versicherungsleistungen auf die Erstattung des Betrags beschränken kann, der üblicherweise von einem Rechtsanwalt verlangt wird, der am Ort des Sitzes des Gerichts ansässig ist, bei dem eine von der Versicherung erfasste Rechtssache anhängig ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 87/344 lautet:
„Das Interesse des Rechtsschutzversicherten setzt voraus, dass Letzterer selbst seinen Rechtsanwalt oder eine andere Person wählen kann, die die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften im Rahmen von Gerichts- und Verwaltungsverfahren anerkannten Qualifikationen besitzt, und zwar immer, wenn es zu einer Interessenkollision kommt.”
Rz. 4
Art. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Die vorliegende Richtlinie bezweckt die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Rechtsschutzversicherung …; damit soll die tatsächliche Ausübung der Niederlassungsfreiheit erleichtert und eine Interessenkollision weitestmöglich ausgeschaltet werden, die insbesondere entstehen können, wenn bei demselben Versicherer ein anderer Versicherer versichert ist oder wenn der Versicherer den Rechtsschutzversicherten gleichzeitig für andere … Versicherungszweige versichert hat; falls eine solche Interessenkollision dennoch auftritt, soll deren Behebung ermöglicht werden.”
Rz. 5
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie lautet:
„Diese Richtlinie gilt für die Rechtsschutzversicherung. Diese besteht darin, dass gegen Zahlung einer Prämie die Verpflichtung eingegangen wird, die Kosten des Gerichtsverfahrens zu übernehmen und andere sich aus dem Versicherungsvertrag ergebende Leistungen zu erbringen, insbesondere um
- dem Versicherten den Schaden auf außergerichtlichem Wege oder durch ein Zivil- oder Strafverfahren zu ersetzen,
- den Versicherten in einem Zivil-, S...