Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verkehr. Straßenverkehr. Verwaltungsrechtliche Sanktion wegen eines im Hoheitsgebiet des Sitzmitgliedstaats eines Unternehmens begangenen Verstoßes, die von den zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats verhängt wird, in dem der Verstoß festgestellt wurde

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 561/2006 Art. 19 Abs. 2

 

Beteiligte

Baumgartner

Josef Baumgartner

 

Tenor

Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates ist dahin auszulegen, dass er den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats unmittelbar gestattet, gegen ein Unternehmen oder dessen Leitungsperson bei einem in seinem Hoheitsgebiet festgestellten Verstoß gegen die Verordnung, sofern hierfür noch keine Sanktion verhängt wurde, auch dann eine Sanktion zu verhängen, wenn der Verstoß im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begangen wurde, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 31. Juli 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 22. August 2017, in dem Verfahren auf Antrag von

Josef Baumgartner,

Beteiligte:

Bundesamt für Güterverkehr,

Staatsanwaltschaft Köln,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Bundesamts für Güterverkehr, vertreten durch A. Marquardt als Bevollmächtigten,
  • der hellenischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou und D. Tsagkaraki als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. 2006, L 102, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht in einem Verfahren über den Einspruch von Herrn Josef Baumgartner gegen eine Geldbuße, die gegen ihn in seiner Eigenschaft als Vertreter der Transporte Josef Baumgartner GmbH & Co KG (im Folgenden: Gesellschaft) mit Sitz in Österreich vom Bundesamt für Güterverkehr (Deutschland) wegen Verstößen gegen die Verordnung Nr. 561/2006 verhängt wurde, die im Sitzmitgliedstaat des Unternehmens begangen worden sein sollen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 14, 19 und 26 der Verordnung Nr. 561/2006 lauten:

„(14) Um eine wirksame Durchsetzung zu gewährleisten, ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die zuständigen Behörden bei Straßenkontrollen nach einer Übergangszeit in der Lage sein sollten, die ordnungsgemäße Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten des laufenden Tages und der vorausgehenden 28 Tage zu kontrollieren.

(19) Angesichts der Zunahme des grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehrs ist es im Interesse der Straßenverkehrssicherheit und einer besseren Durchsetzung von Straßenkontrollen und Kontrollen auf dem Betriebsgelände von Unternehmen wünschenswert, dass auch die in anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten angefallenen Lenkzeiten, Ruhezeiten und Fahrtunterbrechungen kontrolliert werden und festgestellt wird, ob die entsprechenden Vorschriften in vollem Umfang und ordnungsgemäß eingehalten wurden.

(26) Die Mitgliedstaaten sollten Sanktionen festlegen, die bei Verstößen gegen diese Verordnung zu verhängen sind, und deren Durchsetzung gewährleisten. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig, abschreckend und nicht diskriminierend sein. Die Möglichkeit, ein Fahrzeug bei einem schweren Verstoß stillzulegen, sollte in das gemeinsame Spektrum möglicher Maßnahmen der Mitgliedstaaten aufgenommen werden. Die in dieser Verordnung enthaltenen Bestimmungen über Sanktionen oder Verfahren sollten nationale Beweislastregeln unberührt lassen.”

Rz. 4

Art. 10 Abs. 5 der Verordnung Nr. 561/2006 bestimmt:

  1. „Ein Verkehrsunternehmen, das Fahrzeuge einsetzt, die unter die vorliegende Verordnung fallen und die mit einem Kontrollgerät ausgestattet sind, das dem Anhang I B der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 [des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. 198...

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