Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Auftragsvergabe. Vergabe von Unteraufträgen. Nationale Regelung, mit der die Möglichkeit der Vergabe von Unteraufträgen auf 30 % des Gesamtwerts des Auftrags beschränkt wird
Normenkette
AEUV Art. 49, 56; Richtlinie 2014/24/EU Art. 71
Beteiligte
Autostrade per l’Italia SpA |
Tenor
Die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2170 der Kommission vom 24. November 2015 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die den Teil des Auftrags, den der Bieter als Unterauftrag an Dritte vergeben darf, auf 30 % beschränkt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht für die Lombardei, Italien) mit Entscheidung vom 13. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Februar 2018, in dem Verfahren
Vitali SpA
gegen
Autostrade per l'Italia SpA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič und I. Jarukaitis,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli und V. Nunziata, avvocati dello Stato,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch K. H. Aarvik, H. Røstum und C. Anker als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Haasbeek, G. Gattinara und P. Ondrušek als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV, von Art. 71 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2170 der Kommission vom 24. November 2015 (ABl. 2015, L 307, S. 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2014/24) sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vitali SpA und der Autostrade per l'Italia SpA wegen einer von ihr in ihrer Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber getroffenen Entscheidung, die Vitali SpA von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszuschließen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 1, 41, 78, 100 und 105 der Richtlinie 2014/24 heißt es:
„(1) Die Vergabe öffentlicher Aufträge durch oder im Namen von Behörden der Mitgliedstaaten hat im Einklang mit den im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegten Grundsätzen zu erfolgen, insbesondere den Grundsätzen des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit sowie den sich daraus ableitenden Grundsätzen wie Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, gegenseitige Anerkennung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz. Für über einen bestimmten Wert hinausgehende öffentliche Aufträge sollten Vorschriften zur Koordinierung der nationalen Vergabeverfahren festgelegt werden, um zu gewährleisten, dass diese Grundsätze praktische Geltung erlangen und dass das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb geöffnet wird.
…
(41) Keine Bestimmung dieser Richtlinie sollte dem Erlass oder der Durchsetzung von Maßnahmen, die zum Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sittlichkeit und der öffentlichen Sicherheit … notwendig sind … entgegenstehen, sofern diese Maßnahmen mit dem AEUV im Einklang stehen.
…
(78) Die Vergabe öffentlicher Aufträge sollte den Bedürfnissen der [kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)] angepasst werden. Den öffentlichen Auftraggebern sollte empfohlen werden, auf den Leitfaden für bewährte Verfahren zurückzugreifen, der im Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 25. Juni 2008 mit dem Titel ‚Europäischer Leitfaden für bewährte Verfahren zur Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen’ wiedergegeben ist und Vorgaben enthält, wie sie die Vergabevorschriften so anwenden können, dass die Beteiligung von KMU erleichtert wird. Zu diesem Zweck und um den Wettbewerb zu stärken, sollten öffentliche Auftraggeber insbesondere ermutigt werden, große Aufträge in Lose zu unterteilen. …
Es sollte den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, in ihren Bemühungen um Förderung der Teilnahme von KMU am öffentlichen Beschaffungsmarkt hierüber noch hinauszugehen, indem sie den Gelt...