Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Nichtberücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten erlangten Berufserfahrung und des dort erreichten Dienstalters. Artikel 10 EG und 39 EG. Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 39 EG und Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verstoßen, dass sie bei im italienischen öffentlichen Dienst beschäftigten EG-Arbeitnehmern deren in Ausübung einer vergleichbaren Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung eines anderen Mitgliedstaats erlangte Berufserfahrung und das dort erreichte Dienstalter nicht berücksichtigt hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Italienische Republik trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 30. August 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet und A. Aresu als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter R. Schintgen, P. Kūris, J. Klučka (Berichterstatter) und G. Arestis,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2006,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. Juni 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 In ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 10 EG, 39 EG und 7 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2, im Folgenden: Verordnung) verstoßen hat, dass sie die von einem im italienischen öffentlichen Dienst beschäftigten EG-Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat erlangte Berufserfahrung und das dort erreichte Dienstalter nicht berücksichtigt.
Rechtlicher Rahmen
2 Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung lautet:
„Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.”
Vorverfahren
3 Die Kommission forderte die Italienische Republik aufgrund einer Beschwerde mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 auf, Auskünfte über die Situation eines Gemeinschaftsbürgers zu erteilen, der im Rahmen eines Arbeitsvertrags mit dem Comitato d'assistenza scolastica italiana (im Folgenden: Coascit) in einer staatlichen französischen Schule unterrichtet hatte und dessen in Frankreich erlangte Berufserfahrung und dort erreichtes Dienstalter anschließend in Italien nicht berücksichtigt wurden. Die genannte Aufforderung blieb unbeantwortet.
4 Mit Schreiben vom 25. März und vom 12. August 2002 forderte die Kommission die Italienische Republik erneut auf, Auskünfte über die Situation des genannten Gemeinschaftsbürgers und über die weiterer Beschwerdeführer zu erteilen, die mit der Nichtberücksichtigung ihrer in einem anderen Mitgliedstaat erlangten Berufserfahrung oder ihres dort erreichten Dienstalters ähnliche Probleme hätten. Sie verlangte ganz allgemein nach Informationen über die entsprechende italienische Regelung und Verwaltungspraxis.
5 Da ihre Aufforderungen unbeantwortet blieben und nachdem sie am 19. Dezember 2002 eine Äußerung der Italienischen Republik angemahnt hatte, gab die Kommission am 15. Mai 2003 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten ab ihrer Bekanntgabe nachzukommen.
6 Die Kommission hielt die Antwort auf diese Stellungnahme nicht für überzeugend und hat deshalb die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
7 Zur Begründung ihrer Klage erhebt die Kommission zwei Rügen: zum einen die eines Verstoßes gegen Artikel 10 EG und zum anderen die eines Verstoßes gegen Artikel 39 EG und Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung.
Zur Rüge eines Verstoßes gegen Artikel 10 EG
8 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof von Amts wegen prüfen kann, ob die gemäß Artikel ...