Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Auswahlverfahren für die Einstellung von Lehrpersonal an italienischen öffentlichen Schulen. Fehlende oder unzureichende Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Berufserfahrung. Artikel 39 EG. Artikel 3 der Verordnung Nr. 1612/68
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 39 EG und Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verstoßen, dass sie für die Teilnahme von Gemeinschaftsbürgern an den Auswahlverfahren für das Lehrpersonal an italienischen öffentlichen Schulen die von diesen Bürgern bei Unterrichtstätigkeiten erworbene Berufserfahrung je nachdem, ob diese Tätigkeiten in Italien oder in anderen Mitgliedstaten ausgeübt wurden, nicht oder zumindest nicht in gleicher Weise berücksichtigt.
2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
In der Rechtssache C-278/03
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 26. Juni 2003,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M.-J. Jonczy als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen, G. Arestis und J. Klucka,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beim Gerichtshof die Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 39 EG und Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) verstoßen hat, dass sie die von Gemeinschaftsbürgern im öffentlichen Dienst eines anderen Mitgliedstaats erworbene Berufserfahrung für deren Teilnahme an den Auswahlverfahren für die Einstellung von Lehrpersonal an italienischen öffentlichen Schulen nicht berücksichtigt.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Nach Artikel 39 Absatz 1 EG ist „[i]nnerhalb der Gemeinschaft … die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet”. Sie umfasst nach Absatz 2 dieses Artikels „die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen”.
3 Artikel 3 der Verordnung Nr. 1612/68 erläutert die in Artikel 39 EG aufgestellten Grundsätze insbesondere im Hinblick auf den Zugang zur Beschäftigung. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung finden im Rahmen dieser Verordnung die „Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Verwaltungspraktiken eines Mitgliedstaats,
- die das Stellenangebot und das Arbeitsgesuch, den Zugang zur Beschäftigung und deren Ausübung durch Ausländer einschränken oder von Bedingungen abhängig machen, die für Inländer nicht gelten,
- oder die, ohne auf die Staatsangehörigkeit abzustellen, ausschließlich oder hauptsächlich bezwecken oder bewirken, dass Angehörige der übrigen Mitgliedstaaten von der angebotenen Stelle ferngehalten werden,
… keine Anwendung”.
Nationales Recht
4 In seiner auf den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache anwendbaren Fassung bestimmte Artikel 37 des Gesetzesdekrets Nr. 29 vom 3. Februar 1993 über die Rationalisierung der Organisation der öffentlichen Verwaltung und die Überprüfung der Regelung des öffentlichen Dienstes gemäß Artikel 2 des Gesetzes Nr. 421 vom 23. Oktober 1992 (decreto legistlativo n° 29, recante razionalizzazione dell'organizzazione delle amministrazioni pubbliche e revisione della disciplina in materia di pubblico impiego, a norma dell'articolo 2 della legge n° 421, 23 ottobre 1992) (GURI Nr. 30 vom 6. Februar 1993, supplemento ordinario, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 29/1993):
- „Die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erhalten Zugang zu den Stellen der öffentlichen Verwaltung, die nicht die unmittelbare oder mittelbare Ausübung öffentlicher Gewalt mit sich bringen und sich nicht auf den Schutz des nationalen Interesses beziehen.
- Die Stellen und Funktionen, für die nicht vom Besitz der italienischen Staatsbürgerschaft abgesehen werden kann, sowie die unverzichtbaren Voraussetzungen für den Zugang der in Absatz 1 genannten Staatsangehörigen werden durch Dekret des Präsidenten des Ministerrats gemäß A...