Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Staatliche Beihilfen. Beihilfe der Französischen Republik für France Télécom. Reform der Finanzierung der Ruhegehälter der bei France Télécom beschäftigten Beamten. Minderung der von France Télécom an den Staat zu zahlenden Gegenleistung. Beschluss, mit dem die Beihilfe unter Auflagen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird. Begriff der Beihilfe. Begriff des wirtschaftlichen Vorteils. Selektiver Charakter. Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Tatsachenverfälschung. Fehlen einer Begründung. Auswechslung der Begründung
Beteiligte
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Orange trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 6. Mai 2015,
Orange, vormals France Télécom, mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: S. Hautbourg und S. Cochard-Quesson, avocats,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch B. Stromsky und L. Flynn als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan, A. Arabadjiev (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2015,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Februar 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Orange begehrt mit ihrem Rechtsmittel die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 26. Februar 2015, Orange/Kommission (T-385/12, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:117), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/540/EU der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die staatliche Beihilfe C 25/08 (ex NN 23/08) der Französischen Republik zugunsten von France Télécom – Reform der Finanzierung der Ruhegehälter der bei France Télécom beschäftigten Beamten (ABl. 2012, L 279, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 2
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 1 bis 19 des angefochtenen Urteils wie folgt zusammengefasst:
„1 Bei den Maßnahmen, die Gegenstand der vorliegenden Rechtssache sind, geht es um die 1996 vorgenommenen Änderungen an der Regelung des Beitrags der damals France Télécom genannten Klägerin Orange zur Finanzierung der Ruhegehälter ihres beamteten Personals.
2 Diese Regelung, die bei der Gründung von France Télécom im Jahr 1990 als von der staatlichen Verwaltung gesondertes Unternehmen durch das Gesetz Nr. 90-568 vom 2. Juli 1990 über die Organisation des öffentlichen Post- und Telekommunikationsdienstes (JORF vom 8. Juli 1990, S. 8069, im Folgenden: Gesetz von 1990) eingeführt worden war, wurde durch das Gesetz Nr. 96-660 vom 26. Juli 1996 über das staatliche Unternehmen France Télécom (JORF vom 26. Juli 1996, S. 11398, im Folgenden: Gesetz von 1996) geändert. Die neue Regelung wurde zum einen anlässlich der Umwandlung von France Télécom in eine Aktiengesellschaft, ihrer Börsennotierung und der zunehmenden Öffnung ihres Kapitals und zum anderen im Zuge der vollständigen Liberalisierung der Märkte, auf denen sie in Frankreich und in anderen Mitgliedstaaten der Union tätig war, eingeführt.
3 Was die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Finanzierung der Sozialleistungen für das beamtete Personal betrifft, änderte das Gesetz von 1996 die Gegenleistung, die France Télécom nach Art. 30 des Gesetzes von 1990 für die Feststellung und Auszahlung der Ruhegehälter ihrer Beamten durch den Staat an die Staatskasse zu zahlen hatte (im Folgenden: streitige Maßnahme).
4 Das Gesetz von 1990 verpflichtete France Télécom, an die Staatskasse als Gegenleistung für die Feststellung und Auszahlung der Ruhegehälter ihrer Beamten den von der Besoldung der Bediensteten einbehaltenen Betrag, dessen Satz in Art. L. 61 des französischen Pensionsgesetzbuchs für Zivilbeamte und Soldaten festgelegt war, sowie einen ergänzenden Beitrag zu zahlen, der die vollständige Übernahme der damaligen und künftigen Pensionsaufwendungen für ihre pensionierten Bediensteten ermöglichte.
5 Darüber hinaus beteiligte sich France Télécom am ‚Ausgleichssystem’ (régime de compensation) und am ‚Sonderausgleichssystem’ (régime de surcompensation), die Transferzahlungen zur Sicherstellung eines ausgeglichenen Verhältnisses zu den Ruhegehaltssystemen für Beamte anderer öffentlicher Einrichtungen vorsahen.
6 Das Gesetz von 1996 änderte die in Art. 30 des Gesetzes von 1990 vorgesehene Gegenleistung wie folgt: Erstens wurde France Télécom verpflichtet, den von der Besoldung der Bediensteten einbehaltenen Betrag abzuführen, dessen Höhe gegenüber dem Gesetz von 1990 unverändert blieb. Zweitens hatte sie einen ‚Arbeitg...