Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Humanarzneimittel. Anwendungsbereich. Arzneimittel, die gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt. Offizinale Zubereitung
Normenkette
EGRL 83/2001 Art. 2 Abs. 1; Richtlinie 2001/83/EG Art. 3 Nr. 2
Beteiligte
Hohenzollern Apotheke, Inhaber Winfried Ertelt |
Tenor
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Humanarzneimittel wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das nach einer nationalen Regelung keiner Zulassung bedarf, weil es aufgrund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu 100 abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt ist, vorbehaltlich der tatsächlichen Feststellungen, die dem vorlegenden Gericht obliegen, nicht als im Sinne dieser Bestimmung gewerblich oder unter Anwendung eines industriellen Verfahrens zubereitet anzusehen ist und folglich nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.
Für den Fall, dass das vorlegende Gericht nach diesen Feststellungen zu der Auffassung gelangt, dass das fragliche Arzneimittel gewerblich oder unter Anwendung eines industriellen Verfahrens zubereitet wurde, ist zudem zu antworten, dass Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2011/62 geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass er Bestimmungen wie § 21 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln in Verbindung mit § 6 Abs. 1 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken nicht entgegensteht, soweit diese die Apotheker der Sache nach verpflichten, bei der Zubereitung von Arzneimitteln in der Apotheke die Pharmakopöe zu beachten. Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob in dem Sachverhalt des ihm unterbreiteten Einzelfalls das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Arzneimittel nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitet wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juni 2015, in dem Verfahren
Hecht-Pharma GmbH
gegen
Hohenzollern Apotheke, Inhaber Winfried Ertelt,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev, C. G. Fernlund (Berichterstatter) und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Hecht-Pharma GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte J. Sachs und C. Sachs,
- der Hohenzollern Apotheke, Inhaber Winfried Ertelt, vertreten durch Rechtsanwalt C. Willhöft,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, A. Lippstreu und K. Stranz als Bevollmächtigte,
- von Irland, vertreten durch A. Joyce, C. Toland und L. Williams als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González und L. Banciella Rodríguez-Miñón als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Šimerdová, A. Sipos und T. S. Bohr als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 (ABl. 2011, L 174, S. 74) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Hecht-Pharma GmbH und der Hohenzollern Apotheke (im Folgenden: HA), die von ihrem Inhaber Herrn Ertelt betrieben wird, über den Vertrieb bestimmter Arzneimittel.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Durch die Richtlinie 2001/83 sind die Richtlinien über die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Humanarzneimittel, darunter die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, 22, S. 369), kodifiziert und zu einem einzigen Text zusammengefasst worden.
Rz. 4
Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 müssen „[a]lle Rechts- und Verwaltungsvorschrif...