Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Niederlassungsfreiheit. Luftfahrtunternehmen. Reprivatisierungsverfahren. Veräußerung von Anteilen, die bis zu 61 % des Gesellschaftskapitals darstellen. Voraussetzungen. Verpflichtung zum Verbleib des Sitzes und der tatsächlichen Leitung in einem Mitgliedstaat. Gemeinwohlverpflichtungen. Verpflichtung zu Erhalt und Entwicklung der derzeitigen nationalen Operationsbasis (‚hub’)
Normenkette
EGV Nr. 1008/2008
Beteiligte
Associação Peço a Palavra |
Associação Peço a Palavra |
João Carlos Constantino Pereira Osório |
Maria Clara Marques Pires Sarmento Franco |
Sofia da Silva Santos Arauz |
Maria João Galhardas Fitas |
Tenor
1. Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist dahin auszulegen, dass sie nicht für die Prüfung erheblich ist, ob bestimmte Anforderungen hinsichtlich der Tätigkeiten eines Luftfahrtunternehmens, die dem Erwerber einer qualifizierten Beteiligung am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens auferlegt werden, insbesondere die Anforderung, dass der Erwerber verpflichtet ist, Gemeinwohlverpflichtungen zu erfüllen und die nationale Operationsbasis „hub”) dieses Unternehmens zu erhalten und zu entwickeln, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
2. Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er nicht dem entgegensteht, dass in das Lastenheft über die Bedingungen für ein Reprivatisierungsverfahren eines Luftfahrtunternehmens aufgenommen werden:
- eine Anforderung, die den Erwerber der Beteiligung, die Gegenstand dieses Reprivatisierungsverfahrens ist, verpflichtet, über die Fähigkeit zu verfügen, die Durchführung der diesem Luftfahrtunternehmen obliegenden Gemeinwohlverpflichtungen zu gewährleisten, und
- eine Anforderung, die diesen Erwerber verpflichtet, den Sitz und die tatsächliche Leitung dieses Luftfahrtunternehmens im betroffenen Mitgliedstaat zu belassen, da die Verlegung des Hauptgeschäftssitzes dieses Unternehmens außerhalb dieses Mitgliedstaats für es zum Verlust der Verkehrsrechte führen würde, die ihm in bilateralen Abkommen zwischen diesem Mitgliedstaat und Drittländern, zu denen dieser Staat besondere historische, kulturelle und soziale Beziehungen unterhält, eingeräumt sind; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass in diesem Lastenheft die Anforderung enthalten ist, dass der Erwerber der genannten Beteiligung den Erhalt und die Entwicklung der bestehenden nationalen Operationsbasis „hub”) sicherzustellen hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) mit Entscheidung vom 20. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 25. September 2017, in dem Verfahren
Associação Peço a Palavra,
João Carlos Constantino Pereira Osório,
Maria Clara Marques Pires Sarmento Franco,
Sofia da Silva Santos Arauz,
Maria João Galhardas Fitas
gegen
Conselho de Ministros,
Beteiligte:
Parpública – Participações Públicas SGPS SA,
TAP – Transportes Aéreos PortuguesesSGPS SA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterinnen A. Prechal (Berichterstatterin) und C. Toader sowie der Richter A. Rosas und M. Ilešič,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Parpública – Participações Públicas SGPS SA, vertreten durch M. Mendes Pereira, advogado,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und A. Duarte de Almeida als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Costa de Oliveira, L. Malferrari und K. Simonsson als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. November 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49, 54, 56 und 57 AEUV sowie die Art. 2, 16 und 17 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einerseits der Associação Peço a Palavra, einem gemeinnützigen Verein portugiesischen Rechts, und vier natürlichen Personen portugiesischer Staatsangehörigkeit (im Folgenden zusammen: APP u. a.) und andererseits dem Conselho de Ministros (Ministerrat, Portugal) wegen der Gültigkeit eines Beschlusses, mit dem in einem Lastenheft be...