Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Unionsmarke. Absolutes Eintragungshindernis. Marke, die gegen die guten Sitten verstößt. Wortzeichen ‚Fack Ju Göhte’. Zurückweisung der Anmeldung
Normenkette
EGV Nr. 207/2009 Art. 7 Abs. 1 Buchst. f
Beteiligte
Constantin Film Produktion / EUIPO |
Constantin Film Produktion GmbH |
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 24. Januar 2018, Constantin Film Produktion/EUIPO (Fack Ju Göhte) (T-69/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:27), wird aufgehoben.
2. Die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 1. Dezember 2016 (Sache R 2205/2015-5) über die Anmeldung des Wortzeichens „Fack Ju Göhte” als Unionsmarke wird aufgehoben.
3. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum trägt neben seinen eigenen Kosten auch die Kosten, die der Constantin Film Produktion GmbH sowohl im ersten Rechtszug in der Rechtssache T-69/17 als auch im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 4. April 2018,
Constantin Film Produktion GmbH mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin E. Saarmann und Rechtsanwalt P. Baronikians,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Hanf als Bevollmächtigten,
Beklagter im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič(Berichterstatter) und C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2019,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juli 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Constantin Film Produktion GmbH, das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 24. Januar 2018, Constantin Film Produktion/EUIPO (Fack Ju Göhte) (T-69/17, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:27), aufzuheben, mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 1. Dezember 2016 (Sache R 2205/2015-5) über die Anmeldung des Wortzeichens „Fack Ju Göhte” als Unionsmarke abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 2
Die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) wurde durch die am 23. März 2016 in Kraft getretene Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21) geändert. Die Verordnung Nr. 207/2009 in der durch die Verordnung 2015/2424 geänderten Fassung wurde durch die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 aufgehoben und ersetzt. Aufgrund des Zeitpunkts der hier in Rede stehenden Anmeldung, dem 21. April 2015, sind auf den vorliegenden Rechtsstreit jedoch die materiellen Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar.
Rz. 3
Art. 7 („Absolute Eintragungshindernisse”) Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt:
„(1) Von der Eintragung ausgeschlossen sind
…
f) Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen;
…
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der [Europäischen Union] vorliegen.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b, c und d finden keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.”
Rz. 4
Art. 75 („Begründung der Entscheidungen”) der Verordnung Nr. 207/2009 sieht vor:
„Die Entscheidungen des Amtes sind mit Gründen zu versehen. …”
Rz. 5
Art. 76 „Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen”) Abs. 1 der Verordnung lautet:
„In dem Verfahren vor dem Amt ermittelt das Amt den Sachverhalt von Amts wegen. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist das Amt bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.”
Rz. 6
Im 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2015/2424 heißt es:
„(21) … Außerdem sollte die vorliegende Verordnung so angewendet werden, dass den Grundrechten und Grundfreiheiten, insbesondere dem Recht auf freie Meinungsäußerung, in vollem Umfang Rechnung getragen wird.”
Rz. 7
Im 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001 wird der in der vorstehenden Randnummer wiedergegebene Wortlaut des 21. Erwägungsgrundes der Verordnung 2015/2424 wortgleich übernommen.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung
Rz. 8
Am 21. A...