Entscheidungsstichwort (Thema)

Postunternehmen in beherrschender Stellung, das hinsichtlich der Beförderung bestimmter adressierter Sendungen zur Erbringung eines Universaldienstes verpflichtet ist. Anwendung von niedrigen Preisen auf bestimmte ehemalige Kunden eines Wettbewerbers. Kein Beweis für die Absicht. Preisdiskriminierung. Niedrige und selektive Preise. Tatsächliche oder wahrscheinliche Verdrängung eines Wettbewerbers. Auswirkung auf den Wettbewerb und damit auf die Verbraucher. Objektive Rechtfertigung

 

Normenkette

EG Art. 82

 

Beteiligte

Post Danmark

Post Danmark A/S

Konkurrencerådet

 

Tenor

Art. 82 EG ist dahin auszulegen, dass eine Niedrigpreispolitik, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung gegenüber einigen wichtigen ehemaligen Kunden eines Wettbewerbers betreibt, nicht allein deshalb als eine missbräuchliche Verdrängungspraxis anzusehen ist, weil der von diesem Unternehmen gegenüber einem dieser Kunden angewandte Preis zwar unter den durchschnittlichen Gesamtkosten, jedoch über den durchschnittlichen inkrementellen Kosten der fraglichen Tätigkeit liegt, wie sie in dem dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Verfahren geschätzt wurden. Um zu entscheiden, ob unter Umständen wie denen im Ausgangsverfahren wettbewerbswidrige Auswirkungen vorliegen, ist zu prüfen, ob diese Preispolitik ohne eine objektive Rechtfertigung zu einer tatsächlichen oder wahrscheinlichen Verdrängung dieses Wettbewerbers zum Schaden des Wettbewerbs und damit der Verbraucherinteressen führt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Højesteret (Dänemark) mit Entscheidung vom 27. April 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2010, in dem Verfahren

Post Danmark A/S

gegen

Konkurrencerådet,

Beteiligte:

Forbruger-Kontakt a-s,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.-C. Bonichot sowie der Richter A. Rosas, A. Ó Caoimh (Berichterstatter), L. Bay Larsen, T. von Danwitz, A. Arabadjiev und E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzlerin: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Post Danmark A/S, vertreten durch S. Zinck, advokat, T. Lübbig, Rechtsanwalt, und N. Westergaard, advokat,
  • der Forbruger-Kontakt a-s, vertreten durch P. Stig Jakobsen, advokat,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang als Bevollmächtigten im Beistand von O. Koktvedgaard, advokat,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, T. Müller und V. Štencel als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Arena, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Gencarelli, U. Nielsen und K. Mojzesowicz als Bevollmächtigte,
  • der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis und M. Schneider als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Mai 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 82 EG.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Post Danmark A/S (im Folgenden: Post Danmark) und dem Konkurrenceråd (Wettbewerbsrat) über die Preise, die Post Danmark drei ehemaligen Kunden ihres Wettbewerbers Forbruger-Kontakt a-s (im Folgenden: Forbruger-Kontakt) gewährte.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rz. 3

Post Danmark und Forbruger-Kontakt sind die beiden wichtigsten Unternehmen auf dem dänischen Markt für die Zustellung von Postwurfsendungen (Werbung, Telefonbücher, Adressbücher, Lokal- und Regionalzeitungen usw.). Dieser Bereich ist gemäß der Vorlageentscheidung vollständig liberalisiert und fällt nicht unter die dänischen Rechtsvorschriften über die Postdienste. Im Ausgangsverfahren steht fest, dass der relevante Markt der Markt für die Zustellung von Postwurfsendungen in Dänemark ist.

Rz. 4

Zum im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt hatte Post Danmark ein Monopol für die Zustellung von Brief- und Paketsendungen bis zu einem bestimmten Gewicht und aufgrund dieses Ausschließlichkeitsrechts eine Universaldienstverpflichtung bei adressierten Briefsendungen bis zu diesem Gewicht. Sie verfügte hierzu über ein landesweites Zustellnetz, das zugleich für die Zustellung von Postwurfsendungen genutzt wurde.

Rz. 5

Forbruger-Kontakt, die zur Verlagsgruppe Søndagsavisen a-s gehört, befasst sich hauptsächlich mit der Zustellung von Postwurfsendungen. Zum im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt hatte sie ein nahezu landesweites Zustellnetz aufgebaut, insbesondere durch den Aufkauf kleinerer Zustellunternehmen.

Rz. 6

Bis 2004 waren die Supermarktketten SuperBest, Spar und Coop wichtige Kunden von Forbruger-Kontakt. Ende 2003 schloss Post Danmark mit diesen drei Ketten Verträge, durch die sie sich die Zustellung der Postwurfsendungen diese...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge