Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Europäischer Markt für Bananen in Griechenland, Italien und Portugal. Koordinierung bei der Festsetzung von Preisen. Zulässigkeit von Beweisen, die von nationalen Steuerbehörden weitergegeben werden. Verteidigungsrechte. Berechnung der Geldbuße. Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Einstufung als ‚Vereinbarung, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt’

 

Beteiligte

FSL u.a. / Kommission

Europäische Kommission

FSL Holdings NV

Firma Léon Van Parys NV

Pacific Fruit Company Italy SpA

 

Tenor

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die FSL Holdings NV, die Firma Léon Van Parys NV und die Pacific Fruit Company Italy SpA tragen die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 4. September 2015,

FSL Holdings NV mit Sitz in Antwerpen (Belgien),

Firma Léon Van Parys NV mit Sitz in Antwerpen,

Pacific Fruit Company Italy SpA mit Sitz in Rom (Italien),

Prozessbevollmächtigte: P. Vlaemminck und B. Van Vooren, advocaten, C. Verdonck, avocate, J. Auwerx, advocaat und B. Gielen, avocate,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch A. Biolan, M. Kellerbauer und P. Rossi als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan, J.-C. Bonichot (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. November 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die FSL Holdings NV, die Firma Léon Van Parys NV und die Pacific Fruit Company Italy SpA die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. Juni 2015, FSL u. a./Kommission (T-655/11, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:383), mit dem das Gericht den Beschluss C(2011) 7273 final der Kommission vom 12. Oktober 2011 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] (Sache COMP/39482 – Exotische Früchte [Bananen]) (im Folgenden: streitiger Beschluss) nur teilweise für nichtig erklärt hat.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 2

Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sieht vor:

„(1) Für die Zwecke der Anwendung der Artikel [101 und 102 AEUV] sind die Kommission und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten befugt, einander tatsächliche oder rechtliche Umstände einschließlich vertraulicher Angaben mitzuteilen und diese Informationen als Beweismittel zu verwenden.

(2) Die ausgetauschten Informationen werden nur zum Zweck der Anwendung von Artikel [101 oder 102 AEUV] sowie in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand als Beweismittel verwendet, für den sie von der übermittelnden Behörde erhoben wurden. Wird das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht jedoch im gleichen Fall und parallel zum gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht angewandt und führt es nicht zu anderen Ergebnissen, so können nach diesem Artikel ausgetauschte Informationen auch für die Anwendung des einzelstaatlichen Wettbewerbsrechts verwendet werden.

…”

Rz. 3

Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt:

„Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”

Rz. 4

Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 lautet:

„Bei Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat, hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen.”

Rz. 5

In der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002) sind die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit der Kommission zusammenarbeiten, die Geldbuße, die andernfalls verhängt worden wäre, erlassen oder ermäßigt werden kann. In Rn. 11 Buchst. a dieser Mitteilung heißt es dazu, dass das Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens in vollem Umfang kontinuierlich und zügig mit der Kommission zusammenarbeiten und der Kommission alle in seinem Besitz befindlichen oder anderweitig verfügbaren Beweismittel über das mutmaßliche Kartell vorlegen muss.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Rz. 6

Die Rechtsmittelführerinnen, FSL Holdings und Firma Léon Van Parys, zwei Aktiengesellschaften belgischen Rechts, und Pacific Fruit Company Italy, eine Aktiengesellschaft italienischen Rechts, importieren, vermarkten und verkaufen Bananen der Marke Bonita in Europa.

Rz. 7

Am 8. April 2005 stellte die Chiquita Brands International Inc. (im Folgenden: Chiquita...

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