Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Unionsbürgerschaft. Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Recht eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers, sich in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit dieser Unionsbürger besitzt, aufzuhalten. Einreise dieses Familienangehörigen in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats, die nach der Rückkehr des Unionsbürgers in diesen Mitgliedstaat erfolgt
Normenkette
AEUV Art. 21 Abs. 1; Richtlinie 2004/38/EG
Beteiligte
Tenor
Art. 21 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wonach einem drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt und dahin zurückkehrt, nachdem er sich auf der Grundlage und unter Beachtung des Unionsrechts in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Unionsrecht nicht gewährt wird, wenn die Einreise des Familienangehörigen des betreffenden Unionsbürgers in den Herkunftsmitgliedstaat dieses Unionsbürgers oder die dortige Stellung eines Antrags auf einen Aufenthaltstitel nicht „in der natürlichen Verlängerung” zu der Rückkehr des Unionsbürgers in diesen Mitgliedstaat erfolgt, soweit nach dieser Regelung im Rahmen einer umfassenden Beurteilung auch die Berücksichtigung anderer relevanter Gesichtspunkte gefordert wird, insbesondere solcher, mit denen sich nachweisen lässt, dass trotz der Zeit, die zwischen der Rückkehr des Unionsbürgers in seinen Herkunftsmitgliedstaat und der Einreise des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen dorthin verstrichen ist, das im Aufnahmemitgliedstaat entwickelte oder gefestigte Familienleben nicht beendet wurde, so dass dem betreffenden Familienangehörigen das abgeleitete Aufenthaltsrecht gewährt werden kann, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Berufungsgericht der Region Ost, Dänemark) mit Entscheidung vom 21. April 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Mai 2017, in dem Verfahren
Erdem Deha Altiner,
Isabel Hanna Ravn
gegen
Udlændingestyrelsen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský, M. Safjan, D. Šváby und M. Vilaras (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Deha Altiner und Frau Ravn, vertreten durch E. O. R. Khawaja, advokat,
- der dänischen Regierung, vertreten durch M. S. Wolff sowie J. Nymann-Lindegren und C. Thorning als Bevollmächtigte im Beistand von R. Holdgaard, advokat,
- der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet, L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte,
- von Irland, vertreten durch A. Joyce und L. Williams als Bevollmächtigte,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch I. S. Jansen als Bevollmächtigte im Beistand von K. B. Moen, advokat,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und M. Wilderspin als Bevollmächtigte im Beistand von H. Peytz, advokat,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 21 AEUV und der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, und Berichtigung in ABl. 2004, L 229, S. 35).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Erdem Deha Altiner und Frau Isabel Hanna Ravn einerseits und der Udlændingestyrelse (Einwanderungsbehörde, Dänemark) andererseits über deren Entscheidung vom 3. Juni 2016 (im Folgenden: Entscheidung vom 3. Juni 2016), mit der die vorangegangene Entscheidung der Statsforvaltning (Regionale Staatsverwaltung, Dänemark) bestätigt wurde, die den Antrag von Herrn Erdem Deha Altiner, als Familienmitglied der Unionsbürgerin Isabel Hanna Ravn einen Aufenthaltstitel zu erhalten, abgelehnt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2004/38
Rz. 3
Art. 1 „Gegenstand”) der Richtlinie 2004/38 bestimmt:
„Diese Richtlinie regelt
a) die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen;
…”
Rz. 4
In Art. 2 „Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie ...