Entscheidungsstichwort (Thema)
Objektive Rechtfertigung für den Unterschied im Entgelt zwischen zwei gleichwertigen Tätigkeiten, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen und die andere hauptsächlich von Männern ausgeübt wird. Berufung auf Tarifvertrag. Prüfungsumfang des nationalen Gerichts unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1.
Wenn aussagekräftige Statistiken einen deutlichen Unterschied im Entgelt zwischen zwei gleichwertigen Tätigkeiten erkennen lassen, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen und die andere hauptsächlich von Männern ausgeübt wird, verpflichtet Artikel 119 EWG-Vertrag den Arbeitgeber, diesen Unterschied durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, zu rechtfertigen.
2.
Um den Unterschied im Entgelt zwischen zwei gleichwertigen Tätigkeiten, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen und die andere hauptsächlich von Männern ausgeübt wird, objektiv zu rechtfertigen, genügt es nicht, sich darauf zu berufen, daß die jeweiligen Entgelte für diese beiden Tätigkeiten in Tarifverhandlungen festgelegt wurden, die zwar von denselben Parteien geführt worden, aber voneinander unabhängig sind und von denen jede, für sich genommen, keine diskriminierende Wirkung hat.
3.
Es ist Sache des nationalen Gerichts, nötigenfalls unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzustellen, ob und inwieweit der Mangel an Bewerbern für eine Tätigkeit und die Notwendigkeit, ihnen durch höhere Gehälter einen Anreiz zu bieten, einen objektiv gerechtfertigten wirtschaftlichen Grund für den Unterschied im Entgelt zwischen den fraglichen Tätigkeiten darstellen.
Normenkette
EWGVtr Art. 119
Beteiligte
Frenchay Health Authority and Secretary of State for Health |
Fundstellen
Haufe-Index 1150937 |
EuGHE I 1993, 5535 |
NZA 1994, 797 |
EuroAS 1993, Nr 11, 11 |