Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Begriff ‚Verbraucher’. Begriff ‚Gewerbetreibender’. Natürliche Person, die Eigentümerin einer Wohnung in einem im Miteigentum stehenden Gebäude ist. Verschiedene Arten rechtlicher Beziehungen in Bezug auf die Verwaltung und Instandhaltung dieses Gebäudes. Nach dem Recht eines Mitgliedstaats erfolgende unterschiedliche Behandlung von Miteigentümern, die einen individuellen Vertrag für die Verwaltung und Instandhaltung der gemeinschaftlichen Bereiche eines solchen Gebäudes geschlossen haben, und Miteigentümern, die keinen solchen Vertrag geschlossen haben, was die Verbrauchereigenschaft angeht

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG Art. 2 Buchst. b, c

 

Beteiligte

S.V

„S. V.” OOD

E. Ts. D

 

Tenor

Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

sind dahin auszulegen, dass

  • eine natürliche Person, die Eigentümerin einer Wohnung in einem im Miteigentum stehenden Gebäude ist, als „Verbraucher” im Sinne dieser Richtlinie anzusehen ist, wenn sie mit einem Verwalter einen Vertrag über die Verwaltung und Instandhaltung der gemeinschaftlichen Bereiche dieses Gebäudes schließt, sofern sie diese Wohnung nicht zu Zwecken verwendet, die ausschließlich ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Der Umstand, dass ein Teil der vom Verwalter aufgrund dieses Vertrags erbrachten Leistungen auf der Notwendigkeit beruht, die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen besonderen Anforderungen im Bereich der Sicherheit und der Raumplanung zu beachten, kann diesen Vertrag nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 entziehen;
  • in dem Fall, dass ein Vertrag über die Verwaltung und Instandhaltung der gemeinschaftlichen Bereiche eines im Miteigentum stehenden Gebäudes zwischen dem Verwalter und der Hauptversammlung der Miteigentümer oder der Gemeinschaft der Eigentümer dieses Gebäudes geschlossen wird, eine natürliche Person, die Eigentümerin einer Wohnung in diesem Gebäude ist, als „Verbraucher” im Sinne der Richtlinie 93/13 angesehen werden kann, sofern sie als „Partei” dieses Vertrags eingestuft werden kann und diese Wohnung nicht ausschließlich zu Zwecken verwendet, die ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen sind.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Rayonen sad Nesebar (Rayongericht Nessebar, Bulgarien) mit Entscheidung vom 23. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 5. August 2021, in dem Verfahren

„S. V.” OOD

gegen

E. Ts. D.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters N. Piçarra in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und M. Winkler-Unger als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Nikolova, I. Rubene und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29) und Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13 und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „S. V.” OOD, einer Handelsgesellschaft bulgarischen Rechts, die Verwalterin eines im Miteigentum stehenden Gebäudes ist, und E. Ts. D., einer natürlichen Person, die Eigentümerin einer Wohnung in diesem Gebäude ist, wegen der Zahlung von Beträgen, die nach einem Vertrag geschuldet werden, der in Bezug auf die Verwaltung und die Instandhaltung der gemeinschaftlichen Bereiche des Gebäudes geschlossen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Durch die Aufstellung einheitlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln kann der Verbraucher besser geschützt werden. Diese Vorschriften sollten für alle Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern gelten. …”

Rz. 4

Art. 1 dieser Richtlinie lautet:

„(1) Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetr...

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