Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Begriff ‚Verbraucher’. Eigentümergemeinschaft

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Buchst. b

 

Beteiligte

Condominio di Milano, via Meda

Condominio di Milano, via Meda

Eurothermo SpA

 

Tenor

Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsprechung nicht entgegenstehen, wonach die Rechtsvorschriften, mit denen diese Richtlinie in das innerstaatliche Recht umgesetzt werden soll, so ausgelegt werden, dass die in ihnen enthaltenen Verbraucherschutzvorschriften auch auf einen Vertrag Anwendung finden, den ein Rechtssubjekt, wie das „Condominio” im italienischen Recht, mit einem Gewerbetreibenden schließt, obwohl dieses Rechtssubjekt nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Milano (Gericht Mailand, Italien) mit Entscheidung vom 1. April 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 23. April 2019, in dem Verfahren

Condominio di Milano, via Meda

gegen

Eurothermo SpA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie der Richter M. Safjan und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters N. Jääskinen,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Eurothermo SpA, vertreten durch A. Fracchia, avvocato,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von E. Manzo, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer Eigentümergemeinschaft, dem Condominio di Milano, via Meda (im Folgenden: Condominio Meda), und der Eurothermo SpA wegen der Zahlung von Verzugszinsen, die diese vom Condominio Meda im Zusammenhang mit der Erfüllung eines Vertrags über die Lieferung von Wärmeenergie fordert.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 93/13

Rz. 3

Im zwölften Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:

„Beim derzeitigen Stand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften kommt … nur eine teilweise Harmonisierung in Betracht. … Den Mitgliedstaaten muss es freigestellt sein, dem Verbraucher unter Beachtung des Vertrags einen besseren Schutz durch strengere einzelstaatliche Vorschriften als den in dieser Richtlinie enthaltenen Vorschriften zu gewähren.”

Rz. 4

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist deren Zweck die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.

Rz. 5

Art. 2 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten:

b) Verbraucher: eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.

…”

Rz. 6

Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ist eine Vertragsklausel in einem Verbrauchervertrag, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

Rz. 7

Gemäß Art. 8 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem AEU-Vertrag vereinbare strengere Bestimmungen erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten.

Richtlinie 2011/83

Rz. 8

Im 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64) heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sollten im Einklang mit dem Unionsrecht weiterhin befugt sein, diese Richtlinie auf Bereiche anzuwenden, die nicht in deren Anwendungsbereich fallen. Die Mitgliedstaaten können daher den Bestimmungen oder einigen Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechende nationale Rechtsvorschriften für Verträge, die nicht in den G...

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