Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenverkehr. Pflicht, einen Fahrtschreiber zu verwenden. Ausnahmen für Fahrzeuge, die Material befördern. Begriff ‚Material’. Beförderung von leeren Flaschen im Fahrzeug eines Wein- und Getränkehändlers
Beteiligte
Tenor
Der Begriff „Material” in Art. 13 Abs. 1 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates ist dahin auszulegen, dass darunter nicht Verpackungsmaterial wie leere Flaschen (Leergut) fallen kann, das von einem Wein- und Getränkehändler befördert wird, der ein Ladengeschäft betreibt, einmal wöchentlich seine Kunden beliefert und dabei das Leergut einsammelt, um es zu seinem Großhändler zu bringen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Stuttgart (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. Dezember 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Dezember 2009, in der Bußgeldsache gegen
Andreas Michael Seeger
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter J.-J. Kasel, A. Borg Barthet und E. Levits sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Seeger, vertreten durch Rechtsanwalt H.-J. Rieder,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Hathaway als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Yerrell und F. W. Bulst als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. L 102, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Herrn Seeger wegen Zuwiderhandlungen gegen die Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und 15 Abs. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. L 370, S. 8) in der durch die Verordnung Nr. 561/2006 geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3821/85).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 3 der Verordnung Nr. 3821/85 sieht vor:
„(1) Das Kontrollgerät muss bei Fahrzeugen eingebaut und benutzt werden, die der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und in einem Mitgliedstaat zugelassen sind; ausgenommen sind die in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 genannten Fahrzeuge. …
(2) Die Mitgliedstaaten können die in Artikel 13 Absätze 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 genannten Fahrzeuge von der Anwendung der vorliegenden Verordnung freistellen.
…”
Rz. 4
Art. 15 Abs. 7 der Verordnung Nr. 3821/85 bestimmt:
„(7) a) Lenkt der Fahrer ein Fahrzeug, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I ausgerüstet ist, so muss er den Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können:
i) die Schaublätter für die laufende Woche und die vom Fahrer in den vorausgehenden 15 Tagen verwendeten Schaublätter,
…
Nach dem 1. Januar 2008 umfassen die in den Ziffern i und iii genannten Zeiträume jedoch den laufenden Tag und die vorausgehenden 28 Tage.
…”
Rz. 5
Art. 1 der Verordnung Nr. 561/2006 lautet:
„Durch diese Verordnung werden Vorschriften zu den Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten für Kraftfahrer im Straßengüter- und -personenverkehr festgelegt, um die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Landverkehrsträgern, insbesondere im Straßenverkehrsgewerbe, anzugleichen und die Arbeitsbedingungen sowie die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern. Ziel dieser Verordnung ist es ferner, zu einer besseren Kontrolle und Durchsetzung durch die Mitgliedstaaten sowie zu einer besseren Arbeitspraxis innerhalb des Straßenverkehrsgewerbes beizutragen.”
Rz. 6
Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:
„Diese Verordnung gilt für folgende Beförderungen im Straßenverkehr:
- Güterbeförderung mit Fahrzeugen, deren zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt, oder
- Personenbeförderung …”
Rz. 7
In Art. 3 dieser Verordnung heißt es:
„Diese Verordnung gilt nicht für Beförderungen im Straßenverkehr mit folgenden Fahrzeugen:
…
h) Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen mit einer zulässigen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 t, die zur nichtgewerblichen Güterbeförderung verwendet werden;
…”
Rz. 8
Art. 13...