Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Zugang zu Dokumenten der Organe. Ausnahmen vom Zugangsrecht. Öffentliche Sicherheit. Internationale Beziehungen

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 Art. 4 Abs. 1 Buchst. a

 

Beteiligte

Jurašinović / Rat

Ivan Jurašinović

Rat der Europäischen Union

 

Tenor

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Herr Ivan Jurašinović trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. Dezember 2012,

Ivan Jurašinović, wohnhaft in Angers (Frankreich), vertreten durch N. Amara-Lebret, avocate,

Kläger,

andere Partei des Verfahrens:

Rat der Europäischen Union, vertreten durch K. Pellinghelli und B. Driessen als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter A. Borg Barthet und E. Levits sowie der Richterin M. Berger und des Richters S. Rodin,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr Jurašinović die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 3. Oktober 2012, Jurašinović/Rat (T-465/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses seine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Rates der Europäischen Union vom 21. September 2009 (im Folgenden: streitige Entscheidung), teilweisen Zugang zu einigen der Berichte zu gewähren, die von den zwischen dem 1. und 31. August 1995 im Gebiet von Knin in Kroatien stationierten Beobachtern der Europäischen Union verfasst wurden (im Folgenden: Berichte), abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 2

Art. 2 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) bestimmt:

„Sensible Dokumente im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 unterliegen der besonderen Behandlung gemäß jenem Artikel.”

Rz. 3

In Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung heißt es:

„Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

  1. der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf:

    • die öffentliche Sicherheit,

    • die internationalen Beziehungen,

…”

Rz. 4

Art. 9 („Behandlung sensibler Dokumente”) dieser Verordnung bestimmt in seinem Abs. 1:

„Sensible Dokumente sind Dokumente, die von den Organen, den von diesen geschaffenen Einrichtungen, von den Mitgliedstaaten, Drittländern oder internationalen Organisationen stammen und gemäß den Bestimmungen der betreffenden Organe zum Schutz grundlegender Interessen der Europäischen Union oder eines Mitgliedstaats oder mehrerer Mitgliedstaaten in den in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a) genannten Bereichen, insbesondere öffentliche Sicherheit, Verteidigung und militärische Belange, als ‚TRÈS SECRET/TOP SECRET’, ‚SECRET’ oder ‚CONFIDENTIEL’ eingestuft sind.”

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Rz. 5

Mit Schreiben vom 4. Mai 2009 beantragte der französische Staatsbürger Ivan Jurašinović aufgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 beim Rat Zugang zu 205 Berichten und zu Dokumenten mit der Bezeichnung „ECMM RC Knin Log reports”, die im Rahmen einer zur Zeit der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien durchgeführten Überwachungsmission der Europäischen Gemeinschaft in Kroatien (im Folgenden: ECMM) erstellt worden waren, und stützte sich dabei auf seine Unionsbürgerschaft.

Rz. 6

Mit der streitigen Entscheidung gewährte der Rat nur teilweisen Zugang zu acht Berichten.

Rz. 7

Der Rat rechtfertigte seine Weigerung, die als „ECMM RC Knin Log reports” bezeichneten Dokumente freizugeben, damit, dass er kein Dokument mit einer solchen Bezeichnung besitze.

Rz. 8

Bezüglich der anderen Berichte, deren Übermittlung beantragt worden war, machte der Rat als Gründe für die Verweigerung der Verbreitung die Ausnahmeregelungen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend.

Rz. 9

Im Besonderen ging der Rat zunächst davon aus, dass die Veröffentlichung aller Berichte die Interessen der Union beeinträchtigt hätte, indem sie ihre internationalen Beziehungen sowie die ihrer Mitgliedstaaten zu der betreffenden Region Europas sowie die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Sicherheit und die körperliche Unversehrtheit der Beobachter, der Zeugen und anderer Informationsquellen, deren Identität und Einschätzungen durch die Verbreitung der betreffenden Berichte ans Licht gekommen wären, aufs Spiel gesetzt hätte.

Rz. 10

Der Rat vertrat ferner die Auffassung, dass diese Berichte „weiterhin hochsensibel [seien], auch wenn seit den Ereignissen, über die darin berichtet werde, ein Zeitraum von 14 Jahren...

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