Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylrecht. Verordnung (EG) Nr. 343/2003. Wiederaufnahme durch einen Mitgliedstaat eines mit seinem Antrag abgewiesenen Asylbewerbers, der sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet, in dem er einen neuen Asylantrag eingereicht hat. Beginn der Frist für die Durchführung der Überstellung des Asylbewerbers. Überstellungsverfahren, gegen das ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung eingelegt werden kann
Beteiligte
Tenor
Art. 20 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ist dahin auszulegen, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung, wenn die Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats vorsehen, dass ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 68 Abs. 1 EG und 234 EG, eingereicht vom Kammarrätt i Stockholm, Migrationsöverdomstol (Schweden) mit Entscheidung vom 17. Januar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2008, in dem Verfahren
Migrationsverket
gegen
Edgar Petrosian,
Nelli Petrosian,
Svetlana Petrosian,
David Petrosian,
Maxime Petrosian
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis und J. Malenovský (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der griechischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki als Bevollmächtigte,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch R. Somssich, J. Fazekas und K. Borvölgyi als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
- der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch M. Emberland und S. Gudbrandsen als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande und J. Enegren als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn und Frau Petrosian sowie ihren drei Kindern (im Folgenden zusammen: Mitglieder der Familie Petrosian), die (mit Ausnahme der ukrainischen Staatsangehörigen Nelli Petrosian) armenische Staatsangehörige sind, gegen das Migrationsverk (nationale Einwanderungsbehörde), das für Einwanderungsfragen zuständig und mit dem Asylantrag der Betreffenden befasst ist, wegen der Entscheidung dieser Behörde, ihre Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat anzuordnen, in dem sie mit einem ersten Asylantrag abgewiesen worden sind.
Rechtlicher Rahmen
Die Gemeinschaftsregelung
Rz. 3
Der vierte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 343/2003 sieht vor:
„Eine … [klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats] sollte auf objektiven und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien basieren. Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden.”
Rz. 4
Der 15. Erwägungsgrund lautet:
„Die Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der [in Nizza am 7. Dezember 2000 (ABl. C 364, S. 1) proklamierten] Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Sie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Artikel 18 verankerten Rechts auf Asyl zu gewährl...