Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz des Tierwohls zum Zeitpunkt der Tötung. Durch religiöse Riten vorgeschriebene spezielle Schlachtmethoden. Islamisches Opferfest. Verpflichtung, rituelle Schlachtungen in einem Schlachthof vorzunehmen, der die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 erfüllt. Gültigkeit. Religionsfreiheit. Berücksichtigung der nationalen Gepflogenheiten in Bezug auf religiöse Riten
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 Art. 2 Buchst. k; AEUV Art. 13; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 10; Verordnung (EG) Nr. 853/2004; Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 Art. 4 Abs. 4
Beteiligte
Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u.a |
Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen VZW u. a |
Tenor
Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung in Verbindung mit deren Art. 2 Buchst. k im Hinblick auf Art. 10 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 13 AEUV beeinträchtigen könnte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg Brussel (Niederländischsprachiges Gericht erster Instanz Brüssel, Belgien) mit Entscheidung vom 25. Juli 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 1. August 2016, in dem Verfahren
Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen VZW u. a.
gegen
Vlaams Gewest,
Beteiligte:
Global Action in the Interest of Animals (GAIA) VZW,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, J. Malenovský und E. Levits sowie der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet, C. Lycourgos, M. Vilaras und E. Regan,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen VZW u. a., vertreten durch J. Roets, advocaat,
- des Vlaams Gewest, vertreten durch J.-F. De Bock und V. De Schepper, advocaten,
- der Global Action in the Interest of Animals (GAIA) VZW, vertreten durch A. Godfroid und Y. Bayens, advocaten,
- der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und B. Koopman als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Brown als Bevollmächtigte im Beistand von A. Bates, Barrister,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch E. Karlsson, S. Boelaert und V. Piessevaux als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouquet, H. Krämer und B. Eggers als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. November 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ABl. 2009, L 303, S. 1, berichtigt in ABl. 2014, L 326, S. 6) in Verbindung mit deren Art. 2 Buchst. k.
Rz. 2
Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen mehreren auf dem Gebiet des Vlaams Gewest (Flämische Region, Belgien) tätigen islamischen Vereinigungen und Moschee-Dachverbänden auf der einen und der Flämischen Region auf der anderen Seite über die Entscheidung des Vlaamse minister van Mobiliteit, Openbare Werken, Vlaamse Rand, Toerisme en Dierenwelzijn (Flämischer Minister für Mobilität, öffentliche Arbeiten, flämische Randgebiete, Tourismus und Tierwohl; im Folgenden: flämischer Regionalminister), ab dem Jahr 2015 während des islamischen Opferfestes keine rituellen Schlachtungen von Tieren ohne Betäubung in temporären Schlachtstätten, die sich in den Gemeinden der Flämischen Region befinden, mehr zuzulassen.
Unionsrecht
Verordnung Nr. 853/2004
Rz. 3
Im 18. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. 2004, L 139, S. 55) heißt es:
„(18) Die Struktur- und Hygienevorschriften dieser Verordnung sollten für alle Arten von Unternehmen, einschließlich kleiner Betriebe und mobiler Schlachteinheiten, gelten.”
Rz. 4
Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:
„Lebensmittelunternehmer dürfen in der [Europäischen Union] hergestellte Erzeugnisse tierischen Ursprungs nur in Verkehr bringen, wenn sie ausschließlich in Betrieben bearbeitet und behandelt worden sind, die
- den einschlägigen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. 2004...