Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM BUNDESSOZIALGERICHT. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Arbeitslosigkeit. Vollarbeitsloser Grenzgänger. Berücksichtigung der Zeiten der Arbeitslosigkeit bei der Berechnung der Rentenansprüche. Zuständiger Mitgliedstaat. Staat der letzten Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Verordnung Nr. 1408/71 ist dahin auszulegen, daß Zeiten der Vollarbeitslosigkeit, die ein Grenzgänger zurückgelegt hat, der gemäß Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats erhielt, in dessen Hoheitsgebiet er wohnte, unter Berücksichtigung der in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a aufgestellten allgemeinen Regel für die Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften rentenrechtlich nach den Rechtsvorschriften des Staates der letzten Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen sind, da eine abweichende Regelung weder im Gemeinschaftsrecht vorgesehen noch aus mit der Verwirklichung der Ziele des Gemeinschaftsrechts zusammenhängenden Erfordernissen geboten ist.
Normenkette
EWGVtr Art. 51; EWGV 1408/71 Art. 13 Abs. 2 Buchst. a, Art. 71 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii
Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Tenor
Die Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu – und abwandern, in der geänderten Fassung ist dahin auszulegen, daß Zeiten der Vollarbeitslosigkeit, die ein Grenzgänger zurückgelegt hat, der gemäß Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates erhielt, in dessen Hoheitsgebiet er wohnte, rentenrechtlich nach den Rechtsvorschriften des Staates der letzten Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen sind.
Gründe
1 Das Bundessozialgericht hat mit Beschluß vom 21. Januar 1987, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 1987, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 71 der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu – und abwandern, in der geänderten Fassung (ABl. 1983, L 230, S. 8) zur Vorabentscheidung vorgelegt, um den für die rentenrechtliche Berücksichtigung von Zeiten der Vollarbeitslosigkeit eines Grenzgängers zuständigen Träger bestimmen zu können.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Josef Rebmann und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.
3 Im Ausgangsverfahren geht es um die Berücksichtigung einer Zeit der Vollarbeitslosigkeit eines Grenzgängers bei der Berechnung einer Rente. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, Josef Rebmann, der 1920 geboren ist und in Kleinblittersdorf (Bundesrepublik Deutschland) wohnt, ist deutscher Staatsangehöriger und hat stets in Deutschland gewohnt. Vom 1. August 1959 bis zum 30. Juni 1972 war er als Grenzgänger in Frankreich beschäftigt und entrichtete während dieser Zeit Beiträge zur französischen Sozialversicherung. Er war danach vollarbeitslos und wurde nach Meldung bei der französischen Arbeitsverwaltung von dieser an das Arbeitsamt Saarbrücken verwiesen, von dem er vom 13. Juli 1972 bis zum 31. Juli 1974 Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz bezog. In der Folge war der Kläger nach deutschem Recht pflichtversichert, nachdem er in Deutschland eine Beschäftigung gefunden hatte.
4 Seit Dezember 1980 erhält der Kläger eine französische Versichertenrente; mit Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 10. Dezember 1980 wurde ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt, bei deren Berechnung die Zeit der Arbeitslosigkeit von Juli 1972 bis Juli 1974 jedoch unberücksichtigt blieb. Nach dem Vorlagebeschluß blieben Widerspruch und Klage des Klägers gegen diesen Bescheid ohne Erfolg; seine Berufung wurde mit der Begründung zurückgewiesen, daß eine Zeit der Arbeitslosigkeit nur dann eine Ausfallzeit im Sinne von § 36 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (im folgenden: AVG) sei, wenn durch sie eine nach deutschem Recht versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen worden sei; die Ausfallzeiten sollten in solchen Fällen an die Stelle der deutschen Beitragszeit treten, so daß nur die Unterbrechung einer deutschen Beitragszeit einen Ausfallzeittatbestand begründe.
5 Der Kläger legte Revision zum Bundessozialgericht ein und rügte eine Verletzung des § 36 AVG in Verbindung mit Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates. Seiner Auffassung nach war nicht berücksichtigt worden, daß er aufgrund der vorgenannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung bei Eintritt der Vollarbeitslosigkeit ausschließlich Leistungen des ...