Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Besondere Zuständigkeiten. Unerlaubte Handlung oder Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist. Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs. Klage auf Ersatz des Schadens, der durch ein für mit Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unvereinbar erklärtes Kartell verursacht wurde

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 7 Nr. 2; AEUV Art. 101, 53

 

Beteiligte

Tibor-Trans

Tibor-Trans Fuvarozó és Kereskedelmi Kft

DAF Trucks NV

 

Tenor

Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass der „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist”, bei einer Klage auf Ersatz des Schadens, der durch eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV verursacht wurde, die u. a. in Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für Lastkraftwagen bestand, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens den Ort des durch diese Zuwiderhandlung beeinträchtigten Marktes bezeichnet, d. h. den Ort, an dem die Preise des Marktes verfälscht wurden, auf dem dem Geschädigten nach dessen Aussage dieser Schaden entstanden ist, und zwar auch dann, wenn sich die Klage gegen einen an dem betreffenden Kartell Beteiligten richtet, mit dem der Geschädigte keine vertraglichen Beziehungen eingegangen war.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Győri Ítélőtábla (Tafelgericht Győr, Ungarn) mit Entscheidung vom 19. Juni 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juli 2018, in dem Verfahren

Tibor-Trans Fuvarozó és Kereskedelmi Kft.

gegen

DAF Trucks NV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas und M. Safjan,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der DAF Trucks NV, vertreten durch M. Boronkay, ügyvéd, sowie B. Winters und J. K. de Pree, advocaten,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und Z. Wagner als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller, K. Talabér-Ritz und G. Meessen als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen des Verfahrens über eine Klage der Tibor-Trans Fuvarozó és Kereskedelmi Kft. (im Folgenden: Tibor-Trans), einer Gesellschaft ungarischen Rechts, gegen die DAF Trucks NV, eine Gesellschaft niederländischen Rechts, auf Schadensersatz für einen Schaden, der durch eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verursacht worden sein soll.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 15, 16 und 34 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(16) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. Dies ist besonders wichtig bei Rechtsstreitigkeiten, die außervertragliche Schuldverhältnisse infolge der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte einschließlich Verleumdung betreffen.

(34) Um die Kontinuität zwischen dem … Übereinkommen [vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32)], der Verordnung (EG...

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