Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Spaltungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Schutz der Interessen der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft. Nichtigkeit der Spaltung. Actio pauliana

 

Normenkette

Richtlinie 82/891/EWG Art. 12, 19

 

Beteiligte

I.G.I

I.G.I. Srl

Maria Grazia Cicenia

Mario Di Pierro

Salvatore de Vito

Antonio Raffaele

 

Tenor

1. Art. 12 in Verbindung mit den Art. 21 und 22 der Sechsten Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften in der durch die Richtlinie 2007/63/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft, deren Forderungen vor der Spaltung entstanden sind und die von den im nationalen Recht in Anwendung dieses Art. 12 vorgesehenen Schutzinstrumenten keinen Gebrauch gemacht haben, nach der Spaltung eineactio paulianaerheben können, damit diese Spaltung ihnen gegenüber für unwirksam erklärt wird und Vollstreckungsmaßnahmen oder rechtserhaltende Maßnahmen hinsichtlich der auf die neu gegründete Gesellschaft übertragenen Vermögenswerte eingeleitet werden.

2. Art. 19 der Richtlinie 82/891 in der durch die Richtlinie 2007/63 geänderten Fassung, der die Nichtigkeit von Spaltungen regelt, ist in Verbindung mit den Art. 21 und 22 dieser Richtlinie 82/891 dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft nach einer Spaltung eineactio paulianaerheben, die nicht die Gültigkeit dieser Spaltung berührt, sondern lediglich dazu führen kann, dass ihnen diese Spaltung nicht entgegengehalten werden kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte d’appello di Napoli (Berufungsgericht Neapel, Italien) mit Entscheidung vom 27. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juni 2018, in dem Verfahren

I.G.I. Srl

gegen

Maria Grazia Cicenia,

Mario Di Pierro,

Salvatore de Vito,

Antonio Raffaele,

Beteiligte:

Costruzioni Ing. G. Iandolo Srl,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter P. G. Xuereb (Berichterstatter), T. von Danwitz, C. Vajda und A. Kumin,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der I.G.I. Srl, vertreten durch S. Ietti, avvocatessa,
  • der Costruzioni Ing. G. Iandolo Srl, vertreten durch S. Pierro und S. Ietti, avvocatesse,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Malferrari, W. Mölls und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. September 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 und 19 der Sechsten Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften (ABl. 1982, L 378, S. 47) in der durch die Richtlinie 2007/63/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 (ABl. 2007, L 300, S. 47) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der I.G.I. Srl auf der einen und Frau Maria Grazia Cicenia, Herrn Mario Di Pierro, Herrn Salvatore de Vito und Herrn Antonio Raffaele auf der anderen Seite über die Frage, ob diese Personen als Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft, von der ein Teil des Vermögens auf I.G.I. übertragen wurde, eine actio pauliana erheben können, damit der Spaltungsakt ihnen gegenüber für unwirksam erklärt wird und Vollstreckungsmaßnahmen oder rechtserhaltende Maßnahmen hinsichtlich der auf die I.G.I. übertragenen Vermögenswerte eingeleitet werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Dritte Richtlinie 78/855/EWG

Rz. 3

Art. 1 („Anwendungsbereich”) der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (ABl. 1978, L 295, S. 36) in der durch die Richtlinie 2007/63 geänderten Fassung (im Folgenden: Dritte Richtlinie) sieht vor:

„(1) Die durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Maßnahmen der Koordinierung gelten für die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Gesellschaften folgender Rechtsformen:

– in Italien:

la società per azioni,

…”

Rz. 4

Art. 13 Abs. 3 der Dritten Richtlinie sieht vor:

„Der Schutz kann für die Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft und für die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft unterschiedlich sein.”

Sechste Richtlinie

Rz. 5

Der achte Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie lautet:

„Die Gläubiger einschließlich der Inhaber von Schuldverschreibungen sowie die Inhaber anderer Rechte der an der Spaltung beteiligten Gesellschaften ...

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