Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freizügigkeit. Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit. Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Beschäftigte im öffentlichen Sektor. Pensionist, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat, der ihm ein Ruhegehalt auszahlt, wohnt und kein Staatsangehöriger des Wohnsitzmitgliedstaats ist. Einkommensteuer. Angeblicher Verlust steuerlicher Vorteile. Angebliche Behinderung der Freizügigkeit und angebliche Diskriminierung

 

Normenkette

AEUV Art. 21, 18

 

Beteiligte

Istituto nazionale della previdenza sociale

HB

IC

Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS)

 

Tenor

Die Art. 18 und 21 AEUV stehen einer Steuerregelung nicht entgegen, die sich aus einem zwischen zwei Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergibt und wonach die Besteuerungsbefugnis dieser Staaten im Bereich der Besteuerung von Ruhegehältern danach aufgeteilt wird, ob die Empfänger eine Beschäftigung im privaten oder im öffentlichen Sektor ausgeübt haben und ob sie, im zweiten Fall, Staatsangehörige des Wohnsitzmitgliedstaats sind.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte dei conti – Sezione Giurisdizionale per la Regione Puglia (Rechnungshof – Kammer für die Region Apulien, Italien), mit Entscheidungen vom 10. Juli 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2019, in den Verfahren

HB (C-168/19),

IC (C-169/19)

gegen

Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter) und N. Wahl,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte, im Beistand von E. De Bonis, avvocato dello Stato,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch R. Kanitz und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna, A. Magrippi und K. Georgiadis als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch E. de Moustier, A. Alidière und D. Colas als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. Noort als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, H. Shev, J. Lundberg und H. Eklinder als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Gossement und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 18 und 21 AEUV.

Rz. 2

Sie ergehen im Rahmen von zwischen Rechtsstreitigkeiten zwischen HB bzw. IC auf der einen und dem Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS) (Nationales Institut für soziale Sicherheit) auf der anderen Seite wegen der Weigerung des INPS, das Ruhegehalt der Kläger ohne Abzug italienischer Steuern auszuzahlen.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 18 der convenzione tra la Repubblica italiana e la Repubblica portoghese per evitare le doppie imposizioni e prevenire l'evasione fiscale in materia di imposte sul reddito (Zwischen der Italienischen Republik und der Portugiesischen Republik geschlossenes Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Einkommensbesteuerung), unterzeichnet in Rom am 14. Mai 1980, von der Italienischen Republik mit legge n. 562 (Gesetz Nr. 562) vom 10. Juli 1982 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 224 vom 16. August 1982) ratifiziert (im Folgenden: Abkommen Italien-Portugal), bestimmt:

„Vorbehaltlich des Art. 19 Abs. 2 können Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.”

Rz. 4

Art. 19 Abs. 2 des Abkommens Italien-Portugal sieht vor:

  1. „Die von einem Vertragsstaat oder von einer seiner politischen oder administrativen Untereinheiten oder einer lokalen Gebietskörperschaft entweder unmittelbar oder aus einem von diesen errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder dieser lokalen Gebietskörperschaft geleisteten Dienste gezahlten Ruhegehälter werden nur in diesem Staat besteuert.
  2. Diese Ruhegehälter können jedoch nur im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn die natürliche Person in diesem Staat ansässig ist und ein Staatsangehöriger dieses Staates ist.”

Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefrage

Rz. 5

HB und IC, italienische Staatsangehörige, sind ehemalige Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Italien. Sie beziehen je...

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