Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Anwendungsbereich. Ausnahme. Tätigkeiten der Bereitschaftspolizei

 

Normenkette

Richtlinie 2003/88/EG Art. 1 Abs. 3; Richtlinie 89/391/EWG Art. 2 Abs. 2

 

Beteiligte

Készenléti Rendőrség

UO

Készenléti Rendőrség

 

Tenor

Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass Art. 2 Nrn. 1 und 2 dieser Richtlinie für Mitglieder der Ordnungskräfte gilt, die im Fall des Zustroms von Drittstaatsangehörigen zu den Außengrenzen eines Mitgliedstaats Überwachungsaufgaben an diesen Grenzen wahrnehmen, es sei denn, dass unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände festzustellen wäre, dass die fraglichen Aufgaben im Rahmen außergewöhnlicher Ereignisse wahrgenommen werden, deren Schwere und Ausmaß Maßnahmen erfordern, die zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sicherheit des Gemeinwesens unerlässlich sind und deren ordnungsgemäße Durchführung in Frage gestellt wäre, wenn alle Vorschriften der Richtlinie beachtet werden müssten, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Miskolci Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Miskolc, Ungarn) mit Entscheidung vom 21. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 6. März 2019, in dem Verfahren

UO

gegen

Készenléti Rendőrség

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter E. Juhász und C. Lycourgos (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von UO, vertreten durch I. Balázs, kamarai jogtanácsos,
  • der Készenléti Rendőrség, vertreten durch A. Kenyhercz, kamarai jogtanácsos,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch G. Koós, M. Z. Fehér und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Havas, M. van Beek und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. 1989, L 183, S. 1) sowie von Art. 1 Abs. 3 und von Art. 2 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen UO und der Készenléti Rendőrség (Bereitschaftspolizei, Ungarn) über die Vergütung für die von ihm geleisteten Bereitschaftsdienste.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 89/391

Rz. 3

Art. 2 der Richtlinie 89/391 sieht vor:

„(1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche (gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische, verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene, kulturelle und Freizeittätigkeiten usw.).

(2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen.

In diesen Fällen ist dafür Sorge zu tragen, dass unter Berücksichtigung der Ziele dieser Richtlinie eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet ist.”

Richtlinie 2003/88

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie 2003/88 bestimmt:

„(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.

(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind

  1. die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie
  2. bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus.

(3) Diese Richtlinie gilt unbeschadet ihrer Artikel 14, 17, 18 und 19 für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie 89/391/EWG.

…”

Rz. 5

Art. 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie sind:

  1. Arbeitszeit: jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt;
  2. Ruhezeit: jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit;

…”

Rz. 6

Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie sieht vor:

„Gemäß Absatz 2 dieses Artikels sind Abweichungen von den Arti...

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