Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Auf elektronischem Wege geschlossene Fernabsatzverträge. Informationspflichten des Unternehmers. Bestellung, die mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist. Bestellung durch Aktivierung einer Schaltfläche oder einer ähnlichen Funktion auf einer Webseite. Pflicht des Unternehmers, diese Schaltfläche oder entsprechende Funktion mit den Worten ,zahlungspflichtig bestellen‘ oder einer entsprechenden Formulierung zu versehen. Bedingte Zahlungspflicht
Normenkette
Richtlinie 2011/83/EU Art. 8 Abs. 2
Beteiligte
Tenor
Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
ist dahin auszulegen, dass
im Fall von über Webseiten geschlossenen Fernabsatzverträgen die dem Unternehmer obliegende Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich mit einer Zahlungsverpflichtung einverstanden ist, auch dann Anwendung findet, wenn der Verbraucher erst nach der Erfüllung einer weiteren Bedingung verpflichtet ist, dem Unternehmer die entgeltliche Gegenleistung zu zahlen.
Tatbestand
In der Rechtssache C-400/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Juni 2022, in dem Verfahren
VT,
UR
gegen
Conny GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter Z. Csehi, M. Ilešič (Berichterstatter), I. Jarukaitis und D. Gratsias,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: K. Hötzel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von VT und UR, vertreten durch Rechtsanwältin N. Meise,
- – der Conny GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin C. Heber,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Rubene, E. Schmidt und G. von Rintelen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. November 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen VT und UR, den Vermietern einer Wohnung, auf der einen Seite (im Folgenden: Vermieter) und der Conny GmbH auf der anderen Seite über die an Conny abgetretenen Ansprüche eines Mieters (im Folgenden: Mieter), die als Zessionar der Ansprüche dieses Mieters von den Vermietern die Rückzahlung zu viel gezahlter Miete verlangt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 4, 5, 7 und 39 der Richtlinie 2011/83 heißt es:
„(4) Gemäß Artikel 26 Absatz 2 AEUV umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen sowie die Niederlassungsfreiheit gewährleistet sind. Die Harmonisierung bestimmter Aspekte von im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen ist unabdingbar, wenn ein echter Binnenmarkt für Verbraucher gefördert werden soll, in dem ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei gleichzeitiger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips gewährleistet ist.
(5) … [D]ie vollständige Harmonisierung der Verbraucherinformation und des Widerrufsrechts in Verträgen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, [dürfte] zu einem hohen Verbraucherschutzniveau und zum besseren Funktionieren des Binnenmarkts für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern beitragen.
…
(7) Die vollständige Harmonisierung einiger wesentlicher Aspekte der einschlägigen Regelungen sollte die Rechtssicherheit für Verbraucher wie Unternehmer erheblich erhöhen. Sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmer sollten sich auf einen einheitlichen Rechtsrahmen stützen können, der auf eindeutig definierten Rechtskonzepten basiert und bestimmte Aspekte von Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern unionsweit regelt. Durch eine solche Harmonisierung sollte es zur Beseitigung der sich aus der Rechtszersplitterung ergebenden Hindernisse und zur Vollendung des Binnenmarkts auf diesem Gebiet kommen. Die betreffend...