Entscheidungsstichwort (Thema)
FZA-Abkommen EU/Schweiz
Normenkette
FZA-Abkommen EU/Schweiz Art. 7, 15
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Die Art. 7 und 15 des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit in der zuletzt durch das Protokoll vom 4. März 2016 im Hinblick auf die Aufnahme der Republik Kroatien als Vertragspartei infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union angepassten Fassung in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I dieses Abkommens
sind dahin auszulegen, dass
sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der das Recht, für Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit die Antragsveranlagung zu wählen, um die Berücksichtigung von Aufwendungen wie Werbungskosten und die Anrechnung von im Steuerabzugsverfahren einbehaltener Lohnsteuer zu erreichen, was zu einer Einkommensteuererstattung führen kann, Steuerpflichtigen mit Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats, eines anderen Mitgliedstaats oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 und Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten vorbehalten ist und insbesondere nicht einem Staatsangehörigen des erstgenannten Mitgliedstaats offensteht, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat und die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit in diesem Mitgliedstaat erzielt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. September 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Oktober 2022, in dem Verfahren
AB
gegen
Finanzamt Köln-Süd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und W. Roels als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. November 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. 2002, L 114, S. 6) in der zuletzt durch das Protokoll vom 4. März 2016 im Hinblick auf die Aufnahme der Republik Kroatien als Vertragspartei infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union (ABl. 2017, L 31, S. 3) angepassten Fassung (im Folgenden: FZA).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen AB und dem Finanzamt Köln-Süd (Deutschland) (im Folgenden: Finanzamt) über die Berechnung der Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2017 bis 2019 (im Folgenden: für das Ausgangsverfahren maßgeblicher Zeitraum).
Rechtlicher Rahmen
FZA
Rz. 3
Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Schweizerische Eidgenossenschaft andererseits unterzeichneten am 21. Juni 1999 sieben Abkommen, darunter das FZA. Diese sieben Abkommen wurden durch den Beschluss 2002/309/EG, Euratom des Rates und – bezüglich des Abkommens über die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit – der Kommission vom 4. April 2002 über den Abschluss von sieben Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft (ABl. 2002, L 114, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt und traten am 1. Juni 2002 in Kraft.
Rz. 4
Nach dem Wortlaut der Präambel des FZA sind die Vertragsparteien „entschlossen, [die] Freizügigkeit zwischen ihnen auf der Grundlage der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen zu verwirklichen”.
Rz. 5
Art. 1 FZA bestimmt:
„Ziel dieses Abkommens zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz ist Folgendes:
a) Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien;
…
c) Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben;
d) Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer.”
Rz. 6
Art. 2 („Nichtdiskriminierung”) dieses Abkommens lautet:
„Die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, werden bei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den Anhängen I, II und III n...