Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung von Männern und Frauen – Entlassung einer Schwangeren – Fehlzeiten infolge einer durch die Schwangerschaft verursachten Krankheit
Beteiligte
Tenor
Es läuft den Artikeln 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen zuwider, wenn eine Arbeitnehmerin zu irgendeinem Zeitpunkt während ihrer Schwangerschaft aufgrund von Fehlzeiten infolge einer durch diese Schwangerschaft verursachten Krankheit entlassen wird.
Ohne Belang ist insoweit, daß die Arbeitnehmerin gemäß einer Vertragsbestimmung entlassen wurde, nach der der Arbeitgeber berechtigt ist,
Arbeitnehmer ungeachtet ihres Geschlechts nach einer vertraglich festgelegten Zahl von Wochen ununterbrochener Fehlzeiten zu entlassen.
Tatbestand
In der Rechtssache C-394/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom House of Lords (Vereinigtes Königreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Mary Brown
gegen
Rentokil Ltd
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40)
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten und der Fünften Kammer C. Gulmann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Kammerpräsidenten H. Ragnemalm, M. Wathelet und R. Schintgen sowie der Richter G. F. Mancini, P. J. G. Kapteyn (Berichterstatter), J. L. Murray, D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, P. Jann und L. Sevón,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Mary Brown, vertreten durch Colin McEachran, QC, und Rechtsanwalt Ian Truscott, beauftragt von Solicitor Simon Mackay,
- der Rentokil Ltd, vertreten durch John Hand, QC, und Barrister Gerard F. McDermott, beauftragt von Solicitor Gareth T. Brown,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Stephanie Ridley, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte, Beistand: Barrister Dinah Rose,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Pieter Jan Kuyper und Marie Wolfcarius, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Mary Brown, der Rentokil Ltd, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission in der Sitzung vom 16. Dezember 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Februar 1998,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1. Das House of Lords hat mit Beschluß vom 28. November 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Dezember 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 Absatz 1 und 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes
der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen zur Vorabentscheidung vorgelegt (ABl. L 39, S. 40).
2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Mary Brown (im folgenden: Rechtsmittelführerin) und der Rentokil Ltd (im folgenden: Rentokil), in dem es um die Entlassung der Rechtsmittelführerin während einer Schwangerschaft geht.
3. Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergibt, war die Rechtsmittelführerin bei Rentokil als Fahrerin beschäftigt. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, „Sanitact”-Einheiten zu befördern und in Geschäften und anderen Zentren auszutauschen. Nach ihrer Auffassung handelte es sich dabei um eine schwere Arbeit.
4. Im August 1990 teilte die Rechtsmittelführerin Rentokil mit, daß sie schwanger sei. In der Folgezeit hatte sie Schwierigkeiten mit ihrer Schwangerschaft. Ab dem 16. August 1990 legte sie nacheinander jeweils für vier Wochen Atteste vor, in denen verschiedene Schwangerschaftsprobleme genannt wurden. Seit Mitte August 1990 arbeitet sie nicht mehr.
5. Rentokil hatte in die Arbeitsverträge ihrer Arbeitnehmer eine Klausel aufgenommen, wonach Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entlassen würden, wenn sie der Arbeit aus Krankheitsgründen mehr als 26 Wochen lang ununterbrochen fernblieben.
6. Am 9. November 1990 wiesen Vertreter von Rentokil die Rechtsmittelführerin darauf hin, daß die Hälfte des Zeitraums von 26 Wochen abgelaufen sei, und erinnerten sie daran, daß ihr Beschäftigungsverhältnis am 8. Februar 1991 enden werde, falls sie nicht ihre Arbeit bis zu diesem Zeitpunkt im Anschluß an eine unabhängige ärztliche Untersuchung wiederaufnehme. Di...