Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geltungsbereich. Vollarbeitslose Arbeitnehmer. Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Arbeitnehmer, der im zuständigen Mitgliedstaat wohnt und eine Beschäftigung ausübt. Verlegung seines Wohnorts in einen anderen Mitgliedstaat. Person, die vor der Vollarbeitslosigkeit im zuständigen Mitgliedstaat keine Beschäftigung tatsächlich ausübt. Person, die wegen Krankheit nicht arbeitet und deshalb vom zuständigen Mitgliedstaat Leistungen bei Krankheit bezieht. Ausübung einer Beschäftigung. Vergleichbare rechtliche Lage
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Art. 65 Abs. 2, 5
Beteiligte
Raad van bestuur van het Uitvoeringsinstituut werknemersverzekeringen |
Raad van bestuur van het Uitvoeringsinstituut werknemersverzekeringen (Uwv) |
Tenor
1. Art. 65 Abs. 2 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er auf eine Situation anwendbar ist, in der die betreffende Person vor ihrer Vollarbeitslosigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat und keine Beschäftigung tatsächlich ausgeübt hat, sondern wegen Krankheit nicht gearbeitet hat und daher vom zuständigen Mitgliedstaat gezahlte Leistungen bei Krankheit bezogen hat, allerdings unter dem Vorbehalt, dass der Bezug solcher Leistungen nach dem nationalen Recht des zuständigen Mitgliedstaats der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt ist.
2. Art. 65 Abs. 2 und 5 der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 465/2012 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Gründe, z. B. familiäre Gründe, aus denen die betreffende Person ihren Wohnort in einen anderen als den zuständigen Mitgliedstaat verlegt hat, für die Anwendung dieser Bestimmung nicht zu berücksichtigen sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Centrale Raad van Beroep (Berufungsgericht in Sachen der sozialen Sicherheit und des öffentlichen Dienstes, Niederlande) mit Entscheidung vom 25. Juni 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juni 2020, in dem Verfahren
K
gegen
Raad van bestuur van het Uitvoeringsinstituut werknemersverzekeringen (Uwv)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Wahl, des Richters F. Biltgen (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Raad van bestuur van het Uitvoeringsinstituut werknemersverzekeringen (Uwv), vertreten durch M. Mollee als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und J. Pavliš als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und F. van Schaik als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 65 Abs. 2 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt im ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 (ABl. 2012, L 149, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen K und dem Raad van bestuur van het Uitvoeringsinstituut werknemersverzekeringen (Uwv) (Verwaltungsrat des Instituts zur Durchführung der Arbeitnehmerversicherungen, Niederlande) (im Folgenden: Durchführungsinstitut) wegen dessen Weigerung, ihm nach einer in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich der Niederlande verbrachten Zeit, in der er nicht gearbeitet hat und in der er von diesem anderen Mitgliedstaat Leistungen bei Krankheit bezog, Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 4 und 45 der Verordnung Nr. 883/2004 lauten:
„(4) Es ist notwendig, die Eigenheiten der nationalen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zu berücksichtigen und nur eine Koordinierungsregelung vorzusehen.
…
(45) Da das Ziel der beabsichtigten Maßnahme, nämlich Koordinierungsmaßnahmen zur Sicherstellung, dass das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen ist, kann d...