Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht. Eingriffsnormen. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
Normenkette
EGV Nr. 864/2007 (Rom II) Art. 16, 27; Richtlinie 2009/103/EG Art. 28
Beteiligte
Agostinho da Silva Martins |
Dekra Claims Services Portugal SA |
Tenor
1. Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht „Rom II”) ist dahin auszulegen, dass eine nationale Rechtsvorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine dreijährige Verjährungsfrist für die Klage auf Ersatz der aus einem Schadensereignis resultierenden Schäden vorsieht, nicht als Eingriffsnorm im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, es sei denn, das angerufene Gericht stellt auf der Grundlage einer ausführlichen Analyse des Wortlauts, der allgemeinen Systematik, des Telos sowie des Entstehungszusammenhangs dieser Vorschrift fest, dass ihr in der innerstaatlichen Rechtsordnung eine derartige Bedeutung zukommt, dass ein Abweichen von dem gemäß Art. 4 dieser Verordnung anwendbaren Recht als gerechtfertigt erscheint.
2. Art. 27 der Verordnung Nr. 864/2007 ist dahin auszulegen, dass Art. 28 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht in der in innerstaatliches Recht umgesetzten Form keine Vorschrift des Unionsrechts im Sinne dieses Art. 27 darstellt, die Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthält.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal da Relação de Lisboa (Berufungsgericht Lissabon, Portugal) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Februar 2018, in dem Verfahren
Agostinho da Silva Martins
gegen
Dekra Claims Services Portugal SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter A. Rosas und M. Safjan (Berichterstatter),
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo, P. Lacerda, L. Medeiros und P. Barros da Costa als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz und V. Ester Casas als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und P. Costa de Oliveira als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 16 und 27 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht „Rom II”) (ABl. 2007, L 199, S. 40, im Folgenden: Rom-II-Verordnung) sowie von Art. 28 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 2009, L 263, S. 11).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Agostinho da Silva Martins und der Versicherungsgesellschaft Dekra Claims Services Portugal SA über die Bestimmung des auf eine Schadensersatzverpflichtung aus einem Autounfall in Spanien anwendbaren Rechts.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rom-II-Verordnung
Rz. 3
Der siebte Erwägungsgrund der Rom-II-Verordnung lautet:
„Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen … (Brüssel I) und den Instrumenten, die das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zum Gegenstand haben, in Einklang stehen.”
Rz. 4
Art. 4 „Allgemeine Kollisionsnorm”) der Rom-II-Verordnung bestimmt:
„(1) Soweit in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.
(2) Haben jedoch die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und die Person, die geschädigt wurde, zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so unterliegt die unerlaubte Handlung dem Recht dieses Staates.
(3) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in d...