Entscheidung
Gegenstand der Entscheidung war ein Sachverhalt, der - sofern er nach Zurückweisung an das Berufungsgericht entscheidungsreif aufgeklärt wird - typischerweise einen planmäßigen Entzug von Gesellschaftsvermögen der GmbH durch die Gesellschafter darstellt.
Der vom Insolvenzverwalter einer insolventen GmbH (Schuldnerin) verklagte Gesellschafter und Geschäftsführer hatte einen Repräsentantenvertrag der Gesellschaft mit einer Bank gekündigt und diesen Geschäftsbereich durch eine neue persönliche Vereinbarung mit derselben Bank auf sich übergeleitet. Die der Gesellschaft bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Provisionsansprüche hat der Beklagte vereinnahmt.
Sollte sich dieser Sachverhalt bestätigen, so haftet der Alleingesellschafter nach § 826 BGB wegen existenzvernichtenden Eingriffs. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung trägt jedoch der Insolvenzverwalter, der den Gesellschafter wegen des missbräuchlichen Vermögensentzugs durch Vereinnahmung der Forderungen der GmbH in Anspruch nimmt. In der Praxis kann es aufgrund der Beweislast zu Schwierigkeiten kommen, den Anspruch gegen den Gesellschafter erfolgreich geltend zu machen.
Hinweis
Durch den Wandel der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil v. 16.7.2007, II ZR 3/04) im Hinblick auf die Existenzvernichtungshaftung gewährt der BGH Gesellschaftern größere Freiheiten bei unternehmerischen Entscheidungen. Für riskante Handlungen im Bereich der Konzern- und Akquisitionsfinanzierung droht den Gesellschaftern grundsätzlich keine persönliche Inanspruchnahme. Die Gesellschafter können bis zur Grenze der Stammkapitalerhaltung (§§ 30, 31 GmbHG) frei über das Vermögen der Gesellschaft verfügen.
Die Entscheidung zeigt jedoch, dass der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter Grenzen gesetzt sind. Die vorsätzlich sittenwidrige und planmäßige Entziehung von Gesellschaftsvermögen begründet entgegen der Haftungsprivilegierung (§ 13 Abs. 2 GmbHG) eine Haftung der Gesellschafter aus unerlaubter Handlung (§ 826 BGB), soweit der Eingriff in das Vermögen der GmbH ohne angemessene Kompensation und zugunsten eines Gesellschafters erfolgt und die Insolvenz der Gesellschaft hierdurch verursacht oder vertieft wird. Die Gesellschafter haften aber lediglich im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft. Das Konzept der unmittelbaren Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der GmbH hat der BGH aufgegeben.
Darauf hinzuweisen ist, dass infolge der Einordnung der planmäßigen und missbräuchlichen Vermögensentziehung als Fall des Deliktsrechts auch Nicht-Gesellschafter, die durch einen Beitrag die Existenzvernichtung der Gesellschaft bewusst fördern, als Teilnehmer gesamtschuldnerisch mit den Gesellschaftern haften können. Insoweit kommen auch Geschäftsführer, Banken, Rechtsanwälte und sonstige Berater als Haftungsadressaten in Betracht, jedoch nur unter strengen subjektiven Anforderungen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 07.01.2008, II ZR 314/05