Ralph Gübner, Dr. Axel Deutscher
Rdn 1814
Literaturhinweise:
Karl, Fahrverbote aufgrund verschiedener Verfahren, NJW 1987, 1063
Maatz, Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf das Fahrverbot, StV 1988, 84
Stankewitz, Keine Anrechnung der Verwahrung des Führerscheins auf die Fahrverbotsfrist vor Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, SVR 2015, 81
s. auch die Hinw. bei → Fahrverbot, Vollstreckung, Rdn 1802 und → Fahrverbot, Fristberechnung, Rdn 1646.
Rdn 1815
1.a) Zur Erledigung eines Fahrverbotes können jene Zeiträume angerechnet werden, in denen der Betroffene vor Rechtskraft der Bußgeldentscheidung seinen Führerschein in öffentliche Verwahrung geben musste oder keine Fahrerlaubnis (mehr) besaß. Die Anrechnung ist Teil der Vollstreckung. Es bleibt also sehr wohl bei der Anordnung des Fahrverbotes im Bescheid oder im Urteil, auch wenn absehbar ist, dass mit Rechtskraft zeitgleich das Verbot erledigt sein wird. Das Fahrverbot wird nämlich in das Fahreignungs-Register eingetragen und kann im Wiederholungsfalle berücksichtigt werden.
☆ Deshalb ist für den Betroffenen bei einer Anrechnung die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 eröffnet. Denn die Anrechnung ändert nichts an der Beschwer (OLG Hamm BA 2009, 280). Das Fahrverbot wird im FAER notiert und kann im Wiederholungsfall zulasten des Betroffenen berücksichtigt werden.zulassungsfreie Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 eröffnet. Denn die Anrechnung ändert nichts an der Beschwer (OLG Hamm BA 2009, 280). Das Fahrverbot wird im FAER notiert und kann im Wiederholungsfall zulasten des Betroffenen berücksichtigt werden.
Rdn 1816
b) Gem. § 25 Abs. 6 S. 1 StVG wird die Dauer der vorläufigen Entziehung nach § 111a StPO auf das Fahrverbot angerechnet (AG Lüdinghausen NZV 2008, 419 = DAR 2009, 102 [Absehen von der Anordnung eines Fahrverbots, wenn die Zeit der vorläufigen Entziehung die Dauer des Regelfahrverbots deutlich überschritten hat]). Das gilt gem. § 25 Abs. 6 S. 3 StVG auch bei einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme nach § 94 StPO. Diese Regelungen sind von Bedeutung, wenn die Ermittlungen zunächst wegen einer Straftat (§ 316 StGB) aufgenommen werden und es gelingt, die Sache in der HV zu einer OWi (§ 24a StVG) "herabzustufen". Wird das Bußgeldverfahren gem. § 84 Abs. 1 in ein Strafverfahren übergeleitet und erfolgt eine Verurteilung zu einem Fahrverbot wegen einer Straftat, wird die Zeit der vorläufigen Entziehung ebenfalls angerechnet (§ 51 Abs. 5 StGB).
☆ Für die Berechnung des Zeitraums der vorläufigen Entziehung ist die Bekanntgabe gegenüber dem Beschuldigten maßgeblich und nicht erst der Tag, an dem die Entscheidung durch Beschlagnahme vollzogen wird (zu § 51 StGB LG Frankenthal DAR 1979, 341; Maatz StV 1988, 84).Berechnung des Zeitraums der vorläufigen Entziehung ist die Bekanntgabe gegenüber dem Beschuldigten maßgeblich und nicht erst der Tag, an dem die Entscheidung durch Beschlagnahme vollzogen wird (zu § 51 StGB LG Frankenthal DAR 1979, 341; Maatz StV 1988, 84).
Eine Anrechnung nach § 25 Abs. 6 S. 1 erfolgt jedoch nur dann, wenn beide Anordnungen im gleichen Verfahren – wenn auch nicht zwingend wegen derselben Tat – erfolgt sind (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.11.2020 – 1 OWi 2 SsBs 146/20, zfs 2021, 231 m.w.N.).
Rdn 1817
c) Bei einer verwaltungsrechtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis findet nach § 25 Abs. 6 S. 1 StVG grundsätzlich keine Anrechnung statt. Allerdings kommt eine analoge Anwendung ausnahmsweise in Betracht, wenn die Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde ohne Rechtsgrundlage und damit rechtswidrig erfolgte, und zwar wegen desselben Ereignisses, das Gegenstand des Bußgeldverfahrens ist (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.7.2020 – 1 Ss-OWi 309/20).
Rdn 1818
d) Weithin ungeklärt ist, ob und ggf. wie es zu berücksichtigen ist, wenn der Betroffene irrtümlich meint, ein Fahrverbot bereits vor Rechtskraft erledigen zu dürfen oder zu gar zu müssen. In Betracht kommen drei Ansätze:
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Berücksichtigung im Rechtsfolgenausspruch (insbes. Absehen vom Fahrverbot), |
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die Anrechnung im Vollstreckungsverfahren und |
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eine Gnadenentscheidung. |
Rdn 1819
aa) Die erste Variante hat das OLG Zweibrücken bei einem recht kuriosen Sachverhalt gewählt (zfs 2016, 411). Dem Betroffenen war vom Polizeibeamten vor Ort erklärt worden, er dürfe bis zu einer gerichtlichen Entscheidung kein Kfz führen; der Führerschein wurde indes nicht sichergestellt. Nach zwei Wochen wurde die "Beschlagnahme" aufgehoben. Das mündliche polizeiliche Fahrverbot entfalte keine Rechtswirkung, deshalb sei keine Anrechnung im späteren Vollstreckungsverfahren möglich. Da der Betroffene gleichwohl an die Wirksamkeit glaubte und sich daran hielt, bestehe Anlass, die Notwendigkeit des Fahrverbots zu prüfen (oder als Nachteilsausgleich die Geldbuße zu mindern).
Rdn 1820
bb) Diskutiert wird weiterhin folgender Sachverhalt: Der Betroffenen wird zu einem Fahrverbot verurteilt, verzichtet im Termin auf Rechtsmittel und übergibt dem Gericht seinen Führerschein...