Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Das Finanzamt muss dem Erbringer einer steuerfreien Leistung die dem Kunden fälschlich in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zurückerstatten, obwohl er die fehlerhafte Rechnung nicht berichtigte und obwohl das Finanzamt des Kunden diesem den Vorsteuerabzug hieraus endgültig versagt hat und deshalb die im nationalen Recht vorgesehene Berichtigungsregelung nicht mehr anwendbar ist.
Sachverhalt
In dem bulgarischen Verfahren hatte die Steuerpflichtige für den Verkauf einer Immobilie an eine Gesellschaft Umsatzsteuer in der Rechnung ausgewiesen. Den von der Gesellschaft aus dieser Rechnung geltend gemachte Vorsteuerabzug versagte das Finanzamt, da wegen der Steuerbefreiung der Lieferung der Immobilie der Umsatzsteuerausweis in der Rechnung unzutreffend gewesen sei. Die von der Steuerpflichtigen daraufhin beantragte Rückerstattung der zu hoch ausgewiesenen (und bereits abgeführten) Umsatzsteuer versagte das bulgarische Finanzamt, da nach Art. 85 ZDDS (= BG-MwStG) jegliche unzutreffend in Rechnung gestellte Umsatzsteuer vom Rechnungsaussteller geschuldet werde und eine Rechnungsberichtigung nach bulgarischem Verfahrensrecht nicht mehr möglich war.
Nach Auffassung des EuGH ist aufgrund des Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer die o.g. Vorgehensweise der bulgarischen Finanzverwaltung unzulässig. Dass die in einer Rechnung zu hoch oder unberechtigt ausgewiesene Mehrwertsteuer geschuldet wird, soll – wegen des evtl. damit verbundenen Vorsteuerabzugs aus dieser Rechnung – einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegenwirken. Insoweit muss jeder Mitgliedstaaten aber die Möglichkeit vorsehen, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Rechnungsaussteller die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat.
Im Ausgangsverfahren ist aber eine Gefährdung des Steueraufkommens durch Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug völlig ausgeschlossen, da dieses Recht dem Empfänger der fraglichen Rechnung von der Finanzverwaltung bereits endgültig versagt wurde.
Hinweis
Nach deutschem Recht setzt § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG bei einem zu hohen Umsatzsteuerausweis zwingend eine Rechnungsberichtigung gegenüber dem Leistungsempfänger voraus. Auch muss das Finanzamt den bereits abgeführten zu hohen Umsatzsteuerausweis erst dann erstatten, wenn der Rechnungsteller die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat (BFH, Urteil v. 2.9.2010, V R 34/09, BStBl 2011 II S. 991; USt-Kartei OFD Karlsruhe zu § 14c Abs. 1 UStG S 7282 Karte 2 v. 25.9.2012).
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 11.4.2013, C-138/12 (Rusedespred).