Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 242 BGB, § 249 BGB, § 463 S. 2 BGB, § 276 BGB
Kommentar
Verschweigt der Verkäufer einer Eigentumswohnung, dass die Gemeinschaft tiefgreifend zerstritten ist, haftet er jedenfalls wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss (culpa in contrahendo); im Wege des Schadenersatzes kann er Rückgängigmachen des notariellen Kaufvertrages und Ersatz seiner gesamten durch die Nichterfüllung des Vertrages entstandenen Kosten verlangen.
Umstritten ist, ob die Zerstrittenheit der Gemeinschaft als Sachmangel im Sinne des Gewährleistungsrechts zu bewerten ist (wohl in diesem Sinne KG Berlin, NJW 92, 1901). Diese Frage kann allerdings dahingestellt bleiben, da sich die Schadenersatzfolge wegen arglistigen Verschweigens eines Fehlers ( § 463 Satz 2 BGB) auf Rückabwicklung des notariellen Vertrags auch über Grundsätze eines Schadenersatzes wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss ergibt. Auch hier führt das Verschweigen des Umstands der Zerstrittenheit zu gleichem Schadenersatzergebnis.
Es besteht die allgemeine Pflicht eines Verkäufers, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entscheidung des anderen Teils von Bedeutung sein können. Aufklärung gegenüber einem Käufer ist damit insbesondere dann angezeigt, wenn dieser nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte (BGH, NJW 89, 763, 764). Im vorliegenden Fall lagen völlig außergewöhnliche Verhältnisse vor; die Streitigkeiten überschritten das Maß üblicher Auseinandersetzungen zwischen Wohnungseigentümern bei weitem (seit 1987 mehr als 100 WEG-Verfahren!). Eine verkäuferseits angebotene Rücksprache des Käufers mit dem Hausverwalter biete keine Gewähr dafür, dass dieser den Kläger über die hier in Rede stehenden Umstände aufklären werde. Auch die Übergabe "der gesamten Hausunterlagen" reiche für ausreichende Aufklärung nicht aus. Gleiches gelte für angebliche Presseberichte. Für Arglist eines Verkäufers reiche i.Ü. auch bedingter Vorsatz aus; nach der Lebenserfahrung könne aus der Kenntnis des Verkäufers von einem schwerwiegenden verborgenen Mangel auf die Einsicht und die Billigung geschlossen werden, dass der Käufer den Mangel vielleicht nicht kenne und sonst den Vertrag möglicherweise nicht oder nicht so, wie geschehen, abgeschlossen hätte (BGH, NJW 90, 975). Dem beklagten Verkäufer seien auch die Streitaktivitäten bekannt gewesen; ebenso hätte er wissen müssen, dass diese Kenntnis für den Kaufabschluss des Erwerbers von erheblicher Bedeutung sein konnte.
Entgegen der Ansicht des Beklagten muß sich der Kläger Steuervergünstigungen auch nicht als Vorteil auf seinen Schadenersatzanspruch anrechnen lassen. Grundsätzlich sind allerdings Steuervorteile nicht anders als sonstige Vorteile anzurechnen (BGH, NJW 70, 461); hier findet aber auch deshalb keine Anrechnung von Steuervergünstigungen statt, weil der Kläger ohne die zum Schadenersatz verpflichtende Handlung des Beklagten eine andere Wohnung erworben und dort entsprechende Steuervorteile erzielt hätte.
Die Zahlungspflicht des Beklagten ist zu erfüllen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Wohnungseigentums.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.12.1996, 9 U 92/96= WE 4/97, 150).
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung