Leitsatz
In einem Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft hatte das erstinstanzliche Gericht durch Beweisbeschluss die Einholung eines Abstammungsgutachtens angeordnet, in das die Parteien und die Kindesmutter einbezogen wurden. Die Kindesmutter erklärte in einem Schriftsatz an das AG, dass sie für sich und ihr Kind die Mitwirkung an einem Blutgruppengutachten oder einem vergleichbaren Gutachten ablehne. Sie berief sich zum Schutz ihres Kindes und ihrem eigenen Schutz darauf, alleine entscheiden zu können, wer als Vater ihres Kindes festgestellt werde.
Mit Zwischenurteil hat das AG auf Antrag des Klägers erkannt, dass das beklagte Kind sowie die Kindesmutter verpflichtet seien, die Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung zu dulden.
Hiergegen wandte sich die Kindesmutter und beantragte Prozesskostenhilfe für das von ihr beabsichtigte Beschwerdeverfahren gegen das Zwischenurteil des AG. Die beabsichtigte sofortige Beschwerde, für die sie für das beklagte Kind Prozesskostenhilfe erstrebte, hatte auch nach Auffassung des OLG keine Aussicht auf Erfolg, so dass dem Beklagten Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren verweigert wurde.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Die Kindesmutter sei im Grundsatz berechtigt, die Frage zu entscheiden, ob der Beklagte sich der Blutentnahme für die Abstammungsbegutachtung unterziehe, da § 372a Abs. 2 ZPO bezüglich der Verweigerung der Untersuchung zur Feststellung der Abstammung auf die Vorschriften über die Zeugnisverweigerung gem. §§ 386 ff. ZPO verweise. Für die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts habe die Rechtsprechung entschieden, dass der minderjährige Zeuge das Weigerungsrecht nur selbst ausüben könne, wenn er die für eine selbstverantwortliche Entscheidung erforderliche Verstandesreife besitze. Der Beklagte sei jedoch erst fünf Jahre alt, so dass die Verstandesreife hier nicht weiter zu prüfen sei.
Die der Weigerung zugrunde liegende Beweisanordnung sei - trotz der prinzipiellen Unanfechtbarkeit eines Beweisbeschlusses - im vorliegenden Beschwerdeverfahren auch auf ihre prozessuale und materielle Zulässigkeit zu überprüfen, da sie in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf körperliche Unversehrtheit eingreife und dessen Interessen nur im Beschwerdeverfahren Rechnung getragen werden könne, weil ihm die Möglichkeit einer Anfechtung der Entscheidung fehle.
Hinsichtlich der Weigerung der Mutter, das Kind der Blutentnahme für die Abstammungsbegutachtung zu unterziehen, habe das AG zu Recht festgestellt, dass diese unberechtigt sei. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutz der Intimsphäre der Mutter gegenüber dem vorrangigen Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zurückzutreten habe (OLG Nürnberg v. 3.1.1996 - 4 W 4074/95, FamRZ 1996, 1155).
Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Blutgruppenuntersuchung nur in den Fällen der §§ 1600c und 1600d Anwendung finde, die Regelung des § 1600c BGB sich nur auf die Vaterschaftsvermutung im Anfechtungsverfahren beziehe und § 1600d BGB die Antragstellung der Kindesmutter oder des volljährigen Kindes initiiere. Es handele sich vorliegend um einen Fall des § 1600d BGB. Das gerichtliche Feststellungsverfahren verfolge das Ziel, die Vaterschaft zu ermitteln. Da die Kindesmutter weder verheiratet sei noch eine Vaterschaft für den Beklagten bisher anerkannt wurde, sei der Kläger i.S.d. § 1600d BGB feststellungsberechtigt.
Das OLG fasste den Antrag des Beklagten auch als Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren auf, das sich gegen die gegenüber der Kindesmutter angeordnete Blutentnahme richtete. Sie sei durch Zwischenurteil des erstinstanzlichen Gerichts vom 16.11.2006 ebenfalls zur Duldung der Blutentnahme verpflichtet worden. Insoweit habe das AG zu Recht festgestellt, dass die Weigerung der Mutter, sich der Blutentnahme für das Abstammungsgutachten zu unterziehen, unberechtigt sei. Dem Beklagten sei daher Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren zu verweigern.
Link zur Entscheidung
Thüringer OLG, Beschluss vom 22.01.2007, 1 UF 454/06