Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Nichteinladung eines Eigentümers soll nur bei feststehender Ursächlichkeit für das Abstimmungsergebnis auf Anfechtung hin zur Beschlussungültigkeit führen
Erneute Änderung eines vereinbarungsändernden Mehrheitsbeschlusses
Normenkette
§ 23 WEG, § 24 WEG
Kommentar
1. Das Amtsgericht München hat sich in einer sorgfältig begründeten Entscheidung unter Hinweis auf eine weit verbreitete Meinung die Meinung des BayObLG, Entscheidung vom 14. 3. 1984, Az.: 2 Z 74/83) ausgesprochen, dass Mängel bei der Einberufung zur Wohnungseigentümerversammlung nur dann zur begründeten Anfechtbarkeit führten, wenn sie ursächlich für den Beschluss gewesen seien.
In einer Gemeinschaft bestand die praxisunübliche Vereinbarung, dass die Ladung zu einer Eigentümerversammlung nur mittels eingeschriebenen Briefes oder gegen schriftliche Empfangsbestätigung des Ladungsschreibens bewirkt werden könne. Ein unbestritten nicht nach diesen Erfordernissen geladener Eigentümer hatte sämtliche gefassten Beschlüsse in einer Versammlung unter anderem auch unter Hinweis auf seine ihm nicht gegebene Möglichkeit, andere Abstimmungsergebnisse bei Teilnahme hätte erreichen zu können, angefochten.
Das AG München folgt dieser Argumentation nicht und stellt heraus, dass die Verletzung von Formvorschriften bei der Einladung und die möglicherweise auf ihr beruhende Nichtteilnahme eines Wohnungseigentümers an einer Versammlung nur dann zur Ungültigerklärung eines Beschlusses führe, wenn die Kausalität zwischen dem Formverstoß bzw. der Nichtteilnahme und dem Abstimmungsergebnis feststehe, d.h. nachgewiesen sei oder jedenfalls keine offensichtlichen Zweifel bestünden. Die reine Möglichkeit eines anderen Abstimmungsergebnisses, falls der nichteingeladene Wohnungseigentümer an der Versammlung doch teilgenommen, sich an der Diskussion beteiligt und vielleicht einige Wohnungseigentümer in seinem Sinne beeinflusst hätte und sich daraus vielleicht andere Mehrheitsverhältnisse ergeben hätten, reiche zur Annahme der Ursächlichkeit nicht aus.
Das Erfordernis der Kausalität könne insoweit in diesem Sinne nicht eingeschränkt bzw. letztlich aufgegeben werden, da dann mit einer unerträglichen Rechtsunsicherheit und einer entsprechenden Flut von Anfechtungsverfahren gerechnet werden müsste. Nach Meinung des AG lasse auch das BayObLG in seiner Entscheidung vom 14. 3. 1984 die Frage ausdrücklich offen, welche Bedeutung die unfreiwillige Abwesenheit einzelner Mitglieder der Gemeinschaft für die Gültigkeit einer Beschlussfassung habe. Die Entscheidung des OLG Hamm (WEM 79, 175) betreffe nicht den vorliegenden Fall, behandelte vielmehr nur die ungenügende Bezeichnung eines Beschlussgegenstands in der Einladung und die Abdingbarkeit dieser Gültigkeitsvoraussetzung. Es müsse im wohnungseigentumsgerichtlichen Verfahren an dem Erfordernis festgehalten werden, dass eine Ursächlichkeit feststehe oder wenigstens mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen sei. Die Kausalität könne nicht schon dann bejaht werden, wenn sich nicht ausschließen lasse, dass das Ergebnis der Meinungsbildung bei Teilnahme des nicht eingeladenen Wohnungseigentümers so hätte beeinflusst werden können, dass das Abstimmungsergebnis möglicherweise anders ausgefallen wäre. Es müsse Kausalität zwischen Mangel und Abstimmungsergebnis vorliegen; diese Voraussetzung der wirklichen Kausalität könne nicht einfach durch ein Prinzip der bloßen Möglichkeit von Kausalität ersetzt werden.
In jedem Einzelfall müsse ein Formverstoß überprüft werden, insbesondere darauf, ob der Verstoß ursächlich gewesen sei (nicht nur hypothetisch: sein könnte). Die hypothetische Möglichkeit allein dürfe nicht gleichgesetzt werden mit der Wahrscheinlichkeit eines umgekehrten Abstimmungsergebnisses.
2. In dieser Entscheidung wurde dann noch richtigerweise herausgestellt, dass die Bestandskraft und Bindungswirkung eines Mehrheitsbeschlusses, der eine Vereinbarung abgeändert habe, nicht dazu führe, dass ein späteres Abweichen davon stets wieder nur durch Vereinbarung möglich wäre, d.h. der Zustimmung aller Eigentümer bedürfe und hierzu ein Mehrheitsbeschluss nicht ausreichen würde. Jedenfalls dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft in Abänderung eines früher gefassten Beschlusses zur Regelung der Teilungserklärung Gemeinschaftsordnung zurückkehren wolle, genüge hierfür auch ein Mehrheitsbeschluss, falls nicht die bestehenden Vereinbarungen gültig und bindend andere Mehrheiten vorsähen.
Link zur Entscheidung
( AG München, Beschluss vom 15.02.1985, UR II 194/84 WEG[nicht rechtskräftig!])
Zu Gruppe 4: Wohnungeigentumsverwaltung