Leitsatz
Der Einbau von Dreh-/Kippfenstern in eine Giebelfront stellt eine von allen Wohnungseigentümern zu beschließende bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, wenn in der Giebelfront bereits Schwingflügelfenster eingebaut sind. (Leitsatz der Redaktion)
Sachverhalt
Der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage stellte fest, daß einige Schwingflügelfenster im Giebel des Hauses reparaturbedürftig seien und ausgetauscht werden müßten. Entsprechender Ersatz würde jedoch um mindestens DM 1.000,- teuerer sein, als der Einbau zweiflügeliger Dreh-/Kipp- fenster. Mit knappem Mehrheitsbeschluß wurde daher den betroffenen Wohnungseigentümern gestattet, die billigeren Fenster einzubauen.
Hiergegen wenden sich andere Mitglieder der Gemeinschaft mit der Begründung, durch den Einbau der Dreh-/Kippfenster würde das Gemeinschaftseigentum verändert, da eine einheitliche Außenansicht der betreffenden Giebelseite durch den Einbau unterschiedlicher Fenster nicht mehr gegeben wäre. Der zugrundeliegende Beschluß habe daher nur einstimmig getroffen werden können.
Entscheidung
Der Einbau der preiswerteren Fenster konnte verhindert werden, da dieser in der Tat eine Veränderung des Gemeinschaftseigentums darstellen würde. Eine Veränderung des Gemeinschaftseigentums ist dabei immer dann gegeben, wenn es zu einer baulichen Veränderung - selbst optischen Veränderung - der Wohnungseigentumsanlage kommt. Nach der zentralen Vorschrift des § 22 Abs. 1 WEG ist für derartige Veränderungen grundsätzlich die Zustimmung aller Eigentümer notwendig.
Geprüft werden mußte jedoch noch, ob nicht ein Ausnahmefall im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG gegeben war. Nach dieser Vorschrift ist die Zustimmung aller Wohnungseigentümer dann nicht erforderlich, wenn eine Beeinträchtigung nicht gegeben ist, die über das für ein geordnetes Zusammenleben unvermeidliche Maß nicht hinausgeht. Eine solche Ausnahme konnte hier nicht bejaht werden, da das Gebäude in seiner optischen Gestaltung durch den Fenstereinbau verändert worden wäre.
Link zur Entscheidung
AG Bergisch Gladbach, Beschluss vom 08.04.1998, 35 II 47/97
Fazit:
Jede optische Veränderung des architektonischen Bildes einer Wohneigentumsanlage stellt automatisch und zwangsläufig auch eine Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer dar, die nicht geduldet werden muß. Zu beachten ist in diesem Fall überdies, daß es für einen entsprechenden gültigen Wohnungseigentümerbeschluß grundsätzlich nicht ausreicht, daß nur alle auf der Eigentümerversammlung anwesenden Mitglieder zustimmen - vielmehr ist die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich!
über Geschmack läßt sich hier übrigens nicht streiten. Zum einen ist das Gericht nicht befugt sein eigenes Ermessen bzw. seinen eigenen Geschmack an die Stelle desjenigen des betroffenen Wohnungseigentümers zu setzen. Zum andern ist einziger Maßstab für eine entsprechende Beurteilung, ob sich nach der Verkehrsanschauung auch nur einer der Wohnungseigentümer in der gegebenen Situation verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann.