Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Festsetzung des Kindesunterhalts im vereinfachten Verfahren. Es ging primär um die Frage, ob das vereinfachte Verfahren nach §§ 645 ff. ZPO nach Eintritt der Volljährigkeit zulässig ist.
Sachverhalt
Die am 2.9.1987 geborene Antragstellerin beantragte am 8.7.2005 im vereinfachten Verfahren die Festsetzung von Unterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages nach § 1 der Regelbetragsverordnung ab Juni 2005. Sie wurde durch die Kreisverwaltung als Beistand vertreten. Eine Stellungnahme des Antragsgegners erfolgte nicht. Durch Beschluss vom 4.10.2005 setzte das AG den Unterhalt im vereinfachten Verfahren antragsgemäß fest. Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners, in der er zum einen Erfüllung einwandte und zum anderen die Auffassung vertrat, das vereinfachte Verfahren nach § 645 ZPO sei nach Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin unzulässig.
Mit seinem Rechtsmittel hatte er keinen Erfolg.
Entscheidung
Das OLG hielt die sofortige Beschwerde des Antragsgegners für unbegründet.
In seiner Entscheidung wies es auf die unterschiedlichen Auffassungen zu der von dem Antragsgegner angesprochenen Rechtsfrage hin. Nach einer Meinung sei erforderlich, dass das antragstellende Kind im Zeitpunkt der Entscheidung noch minderjährig ist. Dies könne aus dem Wortlaut des § 645 ZPO hergeleitet werden. Die Gegenmeinung schließe aus § 645 ZPO lediglich, dass Unterhalt für die Zeit der Minderjährigkeit des Kindes verlangt werden müsse. Es reiche deshalb aus, wenn das Kind bei Antragstellung minderjährig sei. Der Eintritt der Volljährigkeit während des vereinfachten Verfahrens ändere an dessen Statthaftigkeit nichts (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 645 Rz. 3; Coester/Waltjen in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 645 Rz 6; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 646 Rz. 11; van Els, Rpfleger 2003, 478; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 8 Rz. 331; KG v. 17.3.2003 - 13 UF 73/03, MDR 2003, 1235 = KGReport Berlin 2003, 225; OLG Naumburg, Beschl. v. 6.6.2001 - 3 WF 69/01, zitiert nach juris; OLG Köln v. 29.9.1999 - 27 UF 189/99,FamRZ 2000, 678; Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts, 9. Aufl., Rz. 7323; Gerhard/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 5. Aufl., 6. Kap., Rz. 2029; Georg, Rpfleger 2004, 329 ff. [331]).
Der Wortlaut des § 645 Abs. 1 ZPO sei nicht eindeutig. Die dort enthaltene Formulierung "Unterhalt eines minderjährigen Kindes" könne durchaus so verstanden werden, dass lediglich der Zeitraum, für den Unterhalt verlangt wird, die Minderjährigkeit des Kindes betreffen muss. Die Zielsetzung des vereinfachten Verfahrens rechtfertige ebenfalls nicht die Annahme, dass der Eintritt der Volljährigkeit zur Unzulässigkeit des Verfahrens führe. Durch das vereinfachte Verfahren habe die Möglichkeit geschaffen werden sollen, im Interesse der Sicherung des laufenden Bedarfs des minderjährigen Kindes in einem summarischen Verfahren möglichst rasch einen Titel schaffen zu können. Zur Vermeidung der Notwendigkeit von zwei Prozessen ließ der Gesetzgeber außerdem die Geltendmachung von Rückständen zu. Dieser Zweck spreche für die Annahme, dass es grundsätzlich ausreichen müsse, wenn das Kind im Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig war und rückständigen sowie laufenden Unterhalt verlangt. Durch diese Auslegung werde vermieden, dass Verzögerungen des Verfahrens, die auch im Verantwortungsbereich des Gerichts liegen können, zu Lasten des antragstellenden Kindes gehen. Tatsächlich trete der Hauptzweck des vereinfachten Verfahrens, den laufenden Bedarf des minderjährigen Kindes zu sichern, in den Hintergrund, wenn der Antagsteller nur kurze Zeit nach Einreichung des Antrages volljährig werde. Hieraus werde zum Teil geschlossen, dass das vereinfache Verfahren nicht mehr statthaft sei, wenn der Eintritt der Volljährigkeit unmittelbar bevorstehe, so dass mit dem Erlass eines gerichtlichen Beschlusses vor Eintritt der Volljährigkeit nicht mehr gerechnet werden könne. Die Frage, wann die Volljährigkeit in diesem Sinne unmittelbar bevorstehe, sei jedoch nicht ohne weiteres zu beantworten. Im Interesse der Rechtssicherheit und einer eindeutigen praktikablen Regelung sei deshalb die Auffassung vorzuziehen, die auf die Lage bei Antragstellung abstellt.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Beschluss vom 31.01.2006, 9 UF 16/06