Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung des Kindesunterhalts im vereinfachten Verfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Das vereinfachte Verfahren nach §§ 645 ff. ZPO ist statthaft, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 645, 648, 652

 

Verfahrensgang

AG Cochem (Beschluss vom 04.10.2005; Aktenzeichen 4b FH 21/05)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Cochem vom 4.10.2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.976 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 2.9.1987 geborene Antragstellerin beantragte am 8.7.2005 im vereinfachten Verfahren die Festsetzung von Unterhalt i.H.v. 100 % des Regelunterhalts nach § 1 der Regelbetragsverordnung ab Juni 2005. Sie wurde durch die Kreisverwaltung C.-Z. als Beistand vertreten. Eine Stellungnahme des Antragsgegners erfolgte nicht. Durch Beschluss vom 4.10.2005 setzte das AG den Unterhalt im vereinfachten Verfahren antragsgemäß fest. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners, mit der er geltend macht, dass er den geforderten Unterhalt für die Zeit der Minderjährigkeit bezahlt habe und dass das vereinfachte Verfahren nach § 645 ZPO nach Eintritt der Volljährigkeit unzulässig sei.

II. Die nach § 652 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

1. Zwar hätte das AG in den angefochtenen Festsetzungsbeschluss nicht die Mutter der Antragstellerin als gesetzliche Vertreterin und das Jugendamt als Beistand aufnehmen dürfen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Festsetzungsbeschlusses war die Antragstellerin nämlich bereits volljährig. Der Eintritt der Volljährigkeit hatte gem. § 1715 Abs. 2 BGB zur Folge, dass auch die Beistandschaft des Jugendamts endete und die Antragstellerin stattdessen in das Verfahren eintrat. Allerdings bleiben die Prozesshandlungen, die das Jugendamt als Beistand vorgenommen hatte, wirksam (OLG Karlsruhe JAmt 2001, 302 f.). Der Auffassung, die volljährig gewordene Partei müsse dem Verfahren formell beitreten und die Handlung des Jugendamts genehmigen (OLG Schleswig JAmt 2002, 271), folgt der Senat nicht. Der volljährig gewordenen Antragstellerin steht nunmehr allerdings die Disposition über das Verfahren zu (BGH v. 23.2.1983 - IVb ZR 359/81, MDR 1983, 738 = NJW 1983, 2084). Der Senat hat die Beteiligten auf die Folgen des Wegfalls der Beistandschaft hingewiesen. Die Antragstellerin hat sich nicht geäußert. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie den Antrag des Jugendamts auf Festsetzung des Unterhalts aufrechterhält.

2. Der Antragsgegner ist der Auffassung, das vereinfachte Verfahren sei nach Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin nicht mehr statthaft. Dieser Einwand ist nach §§ 652 Abs. 2, 648 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Beschwerdeverfahren zulässig. In der Sache hat er keinen Erfolg.

Zu der vom Antragsgegner angesprochenen Rechtsfrage werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Nach einer Meinung ist es erforderlich, dass das antragstellende Kind im Zeitpunkt der Entscheidung noch minderjährig ist. Dies wird aus dem Wortlaut des § 645 ZPO hergeleitet, wonach "der Unterhalt eines minderjährigen Kindes" im vereinfachten Verfahren festgesetzt wird (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., vor § 645 ZPO Rz. 1; Sänger/Kemper, ZPO, vor §§ 645-660 Rz. 2; OLG Schleswig JAmt 2002, 271; Musielak/Borth, ZPO, 4. Aufl., § 645 Rz. 3; wohl auch: OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1346).

Die Gegenmeinung schließt aus § 645 ZPO lediglich, dass Unterhalt für die Zeit der Minderjährigkeit des Kindes verlangt werden müsse. Es reiche deshalb aus, wenn das Kind bei Antragstellung minderjährig sei. Der Eintritt der Volljährigkeit während des vereinfachten Verfahrens ändere an dessen Statthaftigkeit nichts (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 645 Rz. 3; Coester/Waltjen in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 645 Rz. 6; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 646 Rz. 11; van Els, Rpfleger 2003, 478; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 8 Rz. 331; KG v. 17.3.2003 - 13 UF 73/03, MDR 2003, 1235 = KGReport Berlin 2003, 225; OLG Naumburg, Beschl. v. 6.6.2001 - 3 WF 69/01, zitiert nach juris; OLG Köln v. 29.9.1999 - 27 UF 189/99, FamRZ 2000, 678; Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts, 9. Aufl., Rz. 7323; Gerhard/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 5. Aufl., 6. Kap., Rz. 2029; Georg, Rpfleger 2004, 329 ff. [331]).

Der Wortlaut des § 645 Abs. 1 ZPO ist nicht eindeutig. Die Formulierung "Unterhalt eines minderjährigen Kindes" kann durchaus so verstanden werden, dass lediglich der Zeitraum, für den Unterhalt verlangt wird, die Minderjährigkeit des Kindes betreffen muss.

Die Zielsetzung des vereinfachten Verfahrens rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass der Eintritt der Volljährigkeit zur Unzulässigkeit des Verfahrens führt. Durch das vereinfachte Verfahren sollte die Möglichkeit gesch...

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