Normenkette

§ 23 Abs. 1, 4 WEG, § 22 Abs. 2 FGG, § 27 Abs. 1 FGG, § 133 BGB

 

Kommentar

1.   Die Feststellung, ob Eigentümer einen Beschluss gefasst haben, ist ebenso wie die Auslegung von Eigentümerbeschlüssen grundsätzlich Sache des Tatrichters (BayObLG, WE 91, 289; a. A. OLG Stuttgart, WuM 91, 414).

2. Eigentümerbeschlüsse sind grundsätzlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Soll Wohnungseigentümern durch Beschluss eine Zahlungspflicht neu auferlegt werden, so muss dies für die Adressaten klar erkennbar sein.

Eine wesentliche Bedeutung für die Feststellung, ob ein Eigentümerbeschluss zustande kam und für dessen Auslegung, kommt der Versammlungsniederschrift zu. Bei der Auslegung können auch Begleitumstände herangezogen werden, die im Protokoll ihren Niederschlag gefunden haben. Ein Feststellungsantrag auf Ungültigkeit eines protokollierten, jedoch tatsächlich nicht gefassten Beschlusses ("Scheinbeschluss") kann ebenfalls zur Ungültigerklärung führen, da zwischen der Feststellung der Nichtigkeit (bzw. des Nichtzustandekommens eines Eigentümerbeschlusses) und der Ungültigerklärung sachlich kein wesentlicher Unterschied besteht (vgl. bereits BayObLG Z 1986, 444/447).

Unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedene Anträge"kann nur über Angelegenheiten von untergeordneter Bedeutung beschlossen werden (hier: bei Begründung einer Zahlungspflicht in Höhe von ca. DM 3.900,- und für den Antragsteller allein von rund DM 1.000,- ist dies nicht anzunehmen (vgl. BayObLG, NRW-RR 1990, 784).

5.  Bei Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG kann entsprechend § 22 Abs. 2 FGGWiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Ein Wiedereinsetzungsgrund ist grundsätzlich dann gegeben, wenn der Beschlussgegenstand in der Einladung zur Versammlung nicht angegeben war, in der Versammlung die Beschlussfassung nicht eindeutig erkennbar war und die Versammlungsniederschrift dem Wohnungseigentümer erst nach Ablauf der Monatsfrist zugegangen ist.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 07.11.1991, BReg 2 Z 99/91)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Das BayObLG sollte hier zur Vermeidung von Fehlern in der Praxis m. E nicht erneut festschreiben, dass unter einem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes""nur über Angelegenheiten von untergeordneter Bedeutung beschlossen werden könne".

M. E. sollte ein Versammlungsleiter bei konkreter Antragstellung und erwünschter Beschlussfassung zu einem solchen TOP "Verschiedenes" oder "Sonstiges" darauf hinweisen, dass jeglicher konkrete Beschluss zu einem solchen Tagesordnungspunkt erfolgreich anfechtbar wäre aufgrund Verletzung des - wenn auch abdingbaren - § 23 Abs. 2 WEG. Wird dann dennoch entsprechender Mehrheitsbeschluss gefasst, würde auch ein solcher Beschluss mangels fristgemäßer Anfechtung Bestandskraft erlangen [sog. "Zitterbeschluss"]. Auf die - ohnehin schwer abgrenzbare - Bedeutung der Anträge und Beschlussgegenstände sollte insoweit nicht abgestellt werden. Nichtig sind ohnehin Beschlüsse bei Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG nicht, wie jedoch fälschlicherweise diesem neuerlichen Satz in der Begründung der Entscheidung des BayObLG entnommen werden könnte. Unter einem TOP "Verschiedenes" sollte der Versammlungsleiter einleitend darauf hinweisen, dass hier an sich nur an allgemeine Aussprache, Diskussion, Anregungen auch für mögliche Sachbeschlussfassungen in neuerlicher Versammlung gedacht ist.

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