ZPO § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 § 628 Satz 1 Nr. 4
Leitsatz
Dem gem. § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO gestellten Antrag eines Ehegatten auf Abtrennung einer Sorgerechtsfolgesache ist grundsätzlich zu entsprechen. Bei Unterhaltsfolgesachen (§ 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO) ist einem Abtrennungsantrag dagegen nur dann stattzugeben, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen elterlicher Sorge und Kindesunterhalt bzw. Betreuungsunterhalt besteht, der eine Vorabentscheidung über den Unterhalt erfordert. Ohne einen solchen Zusammenhang ist der den Unterhalt betreffende Abtrennungsantrag von dem Zweck des § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht gedeckt und läuft dem Schutzzweck des Scheidungsverbundes und § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO zuwider.
BGH, Urt. v. 1.10.2008 – XII ZR 172/06 (OLG Hamm, AG Bochum)
Sachverhalt
Tatbestand: Die Parteien sind seit 1990 miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe ist der am 21.9.1992 geborene Sohn D. hervorgegangen, der bei der Mutter lebt. Seit Februar 2001 leben die Ehegatten getrennt. Der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 30.5.2001 zugestellt worden.
Der Antragsteller lebt inzwischen in der Schweiz. Aus der Beziehung zu seiner neuen Lebensgefährtin ist am 5.9.2003 eine Tochter hervorgegangen, für die er sich zu Unterhaltszahlungen verpflichtet hat. Außerdem wurde er verurteilt, Trennungsunterhalt und Kindesunterhalt für das Kind D. zu zahlen.
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hat die Antragsgegnerin Anträge auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt und Zugewinnausgleich gestellt und darüber hinaus beantragt, ihr die elterliche Sorge für D. allein zu übertragen. Die den Zugewinnausgleich betreffende Folgesache ist von den Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt worden. Die Folgesachen elterliche Sorge und nachehelicher Unterhalt hat das Familiengericht auf Antrag des Antragstellers – gegen den Widerspruch der Antragsgegnerin – nach § 623 Abs. 2 ZPO abgetrennt. Sodann hat es die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau geregelt.
Mit der gegen das Verbundurteil gerichteten Berufung hat die Ehefrau geltend gemacht, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ehescheidung vor der Entscheidung über die Folgesachen hätten nicht vorgelegen. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Antragsgegnerin, mit der sie weiterhin begehrt, dass zusammen mit der Scheidung über die Folgesachen entschieden wird.
Aus den Gründen
Entscheidungsgründe: I. Die Revision ist zulässig, auch wenn sie sich allein gegen die erfolgte Abtrennung der Scheidungsfolgesachen elterliche Sorge und nachehelicher Unterhalt aus dem Verbund richtet. Wird dem Scheidungsantrag zu Unrecht vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgegeben, so schafft dies im Fall einer Abtrennung nach § 628 ZPO nach der Rspr. des Senats eine selbständige Beschwer, die mit Rechtsmitteln gegen das Scheidungsurteil gerügt werden kann (Senatsurt. v. 14.12.1983 – IVb ZR 62/82 – FamRZ 1984, 254, 255 und v. 27.3.1996 – XII ZR 83/95 – FamRZ 1996, 1070, 1071). Das gilt in gleicher Weise für die hier erfolgte Abtrennung nach § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO (Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, Eherecht, 4. Aufl., § 623 Rn 14 d; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 623 Rn 32 i; Hk-ZPO/Kemper, 2. Aufl., § 623 Rn 34; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 842; OLG Frankfurt FF 2001, 66 [LS; Volltext bei juris]; a.A. Büttner, FamRZ 1998, 585, 592 und NJW 1999, 2315, 2325 f.; Bergerfurth/Rogner, Der Ehescheidungsprozess, 15. Aufl., Teil 1 Rn 42). Auch insofern ist dem eine umfassende Verbundentscheidung erstrebenden Ehegatten die Möglichkeit eröffnet, dieses Ziel im Wege eines Rechtsmittels zu erreichen.
II. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
1. Das OLG, das die Zulässigkeit der Berufung nach den vorstehenden Ausführungen zu Recht bejaht hat, hat die Abtrennung der Folgesachen elterliche Sorge und nachehelicher Unterhalt für rechtlich unbedenklich gehalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine teleologische Einschränkung des § 623 Abs. 2 ZPO sei mit der herrschenden Meinung nur im Falle des Missbrauchs gerechtfertigt. Maßgebend sei zunächst der eindeutige Wortlaut der Vorschrift, der eine Abtrennung auf entsprechenden Antrag ausdrücklich vorsehe. Eine über Missbrauchsfälle hinausgehende Ablehnung der Abtrennung lasse sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs nicht herleiten. Nachdem nur noch auf Antrag eines Ehegatten über die elterliche Sorge zu entscheiden sei, werde mit der in der Begründung genannten Möglichkeit, eine solche Entscheidung auch künftig für die Zeit vor der Scheidung zu erreichen, nur eine mögliche Anwendung des § 623 Abs. 2 ZPO dargestellt, ohne dass es sich um den einzigen Anwendungsfall handele. Darüber hinaus zeigten die Regelungen in § 623 Abs. 2 Satz 4 ZPO und § 628 Satz 1 Ziff. 3 ZPO, dass das Gesetz eine Fortdauer der Folgesache über den Zeitpunkt der Schei...